
Waed Bouhassoun & Orpheus XXI
La Voix de la nature
Musik / Konzert Arabische & persische Musik 0Neben ihrer Solo-Karriere und musikwissenschaftlichen Laufbahn ist die syrische Oud-Spielerin und Sängerin Waed Bouhassoun, die bereits mehrfach im Pierre Boulez Saal zu Gast war, auch künstlerische Leiterin des Ensembles Orpheus XXI. Das von Jordi Savall in Reaktion auf die Migrationsbewegungen der 2010er Jahre ins Leben gerufene Ensemble vereint in flexibler Besetzung Musiker:innen aus verschiedensten Traditionen, die aufgrund von Krieg und Vertreibung ihre Heimat verlassen mussten und nun in Europa leben und arbeiten. Vor dem Hintergrund der Pandemie und ihrer Auswirkungen reflektiert ihr aktuelles Programm La Voix de la nature das Verhältnis von Mensch, Natur und Musik.
Zum On-Demand-Streaming nach dem Konzert haben nur Mitglieder von Pierre Boulez Saal Online Zugang. Mehr über unser neues Online-Angebot erfahren. Der Audio-Mitschnitt des Konzerts wird zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.
L’Armada turca era comandada
(traditionell sephardisch, aus Smyrna)
Dialogue des voix de la montagne
(vokale Duo-Improvisation)
Bi man maro
Melodie von Shahab Azinmehr
Gedicht von Rumi (1207–1273)
Parviz Meshkatian (1955–2009)
Khazan (persisch)
Dede Efendi (1778–1846)
Ferâhfezâ Sarki (osmanisch)
Safar karde (traditionelles persisches Lied)
Alfons X. (1221–1284)
Saltarello
Pause
Menk kadj tohmi (armenisch)
Passion
Melodie von Waed Bouhassoun
Gedicht von Ibn Arabi (1165–1240)
Segâh nefes (osmanisch)
Abolhassan Saba (1902–1957)
Tamarine Dashti (persisch)
Tanburi Cemil Bey (1873–1916)
Çeçen kızı (türkischer instrumentaler Tanz)
Traditionelles Lied
Kevokê (traditioneller syrischer Tanz)
Traditionelles iranisches Tanzlied
Die Stimme der Natur
Dieses Projekt entstand während eines Aufenthalts in der Abtei von Fontfroide in Südfrankreich. Es ist ein Ort inmitten der Natur, der sich harmonisch mit Bäumen und Bergen verbindet. Das Programm ist eine Hommage an diese Umgebung und inspiriert von der Atmosphäre, die sie ausstrahlt. Musik ist ihrem Wesen nach mit der Natur verbunden. Durch Stimme und Musikinstrumente versuchen Menschen, ihre urzeitlichen Klänge zu imitieren. Die Musiker:innen und Instrumente für dieses Programm wurden aufgrund dieser Beziehung zur Natur ausgewählt. Die Klänge der Instrumente, die aus Holz, Fell und Darm gefertigt sind, beschwören die Kraft der Elemente herauf. Das kontinuierliche Blasen der arabischen Ney lässt an den Wind denken und gibt Raum für Meditation. Das Spiel des Kanun erinnert an das Rauschen eines Wasserfalls. Schlaginstrumente imitieren das Geräusch von im Wind bewegten Ästen, durch Schritte zerdrücktes Gras und den Klang des Herzschlags. Komposition ist inspiriert durch das Echo der Berge, Improvisation durch die Bewegung der Wellen. Sänger:innen bringen mit ihren Stimmen die Kraft der Berge, der Wüsten, der Landschaften, aus denen sie ihr Repertoire schöpfen, zum Ausdruck. Dank der Poesie und der Klänge jeder einzelnen Sprache zeichnen sie auf ihre eigene Weise die Lieder der Vögel und Rufe der Tiere nach.
Die Monate, die wir während der Pandemie durchlebt haben, haben sich auf die Natur ausgewirkt und sind das Ergebnis unserer Beziehung zu ihr. Die Menschen haben sich nicht um ihre Umwelt gekümmert, haben sie übermäßig ausgebeutet und Wälder und Tiere immer weiter zurückgedrängt. Doch durch den weitreichenden Lockdown haben Vögel und Tiere die Abwesenheit der Menschen genutzt, um an den Orten wieder in Erscheinung zu treten, die sie zuvor verlassen hatten. Umweltverschmutzung nahm ab. Stille kehrte zurück. Die Stille ist ein wesentliches und strukturierendes Element der Musik. Sie ermöglicht den Zuhörer:innen, von der Leere gefesselt zu werden. Und in unserem Leben brauchen wir manchmal Stille und Erholung. Ziel dieses Projekts ist es, die Beziehung zwischen Musik und Natur näher zu betrachten, zum Wesen der Musik zurückzukehren und der Natur unsere Dankbarkeit zu zeigen. Menschen haben Musik geschaffen, um sich enger mit ihrer Umwelt zu verbinden. Dieses Programm möchte einen Weg dahin zeigen, diese Verbindung wiederherzustellen, uns neu mit der Natur und miteinander in Einklang zu bringen. Das bedeutet, dem gleichen organischen Prozess zu folgen, durch den das Ensemble Orpheus XXI entstanden ist und seine eigenen Klänge entwickelt hat: Musiker:innen unterschiedlicher Herkunft zusammenzubringen, einen Dialog zwischen verschiedenen Kulturen anzustoßen und Musiker:innen in Europa, deren Leben durch Flucht und Migration geprägt ist, eine Integration in die Gesellschaften zu ermöglichen, in denen sie leben.
—Waed Bouhassoun
Das Einführung wurde ursprünglich im Programmheft des Pierre Boulez Saals für die Aufführung von La Voix de la nature am 19. November 2022 veröffentlicht.