
A Meeting Along The River
Charles Lloyd, Zakir Hussain & Marvin Sewell
Musik / Konzert Trio / Improvisierte Musik & Jazz 0Im Ensemble mit dem Tabla-Virtuosen Zakir Hussain und dem Gitarristen Marvin Sewell stehen die Möglichkeiten der Verbindung von klassischer indischer Musik und Jazzimprovisation im Mittelpunkt — ein Interesse, das Lloyd schon lange verfolgt und das bis in seiner Studienzeit an der Univeristy of Southern California zurückreicht. Begonnen hat das Trio im Jahr 2001 zunächst als Duo, [...]. „Ich hatte Zakir im Jahr zuvor kennengelernt — wir hatten einen guten Draht zueinander, und ich wusste, dass es musikalisch eine ganz besondere Begegnung werden könnte. Also hielt ich immer nach einer Gelegenheit zur Zusammenarbeit Ausschau. Marvin kommt aus Chicago und dem Delta, er ist sehr gefühlvoll und wandlungsfähig, und er hat eine gro0e Affinität zur Musik Indiens“, beschreibt Lloyd.
Wie kaum ein anderer Künstler im zeitgenössischen Jazz reflektiert der Tenorsaxophonist und Flötist Charles Lloyd in seiner Musik die eigenen musikalische Vergangenheit. Erlebte Momente seiner erfüllten künstlerischen Karriere führen ein zweites Leben, ein Leben in der Erinnerung, aus der sie auftauchen, um seine Musik im Hier und Jetzt zu inspirieren und zu beeinflussen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass das Verständnis von Lloyds Vergangenheit dazu beitragen kann, seine gegenwärtige Musik zumindest in Ansätzen besser zu begreifen. Angesichts seiner konsequenten Orientierung an der Gegenwart mag dies wie ein Widerspruch erscheinen, doch Lloyds Improvisationen kommen aus seinem tiefsten Inneren, aus einer Erfahrungsweisheit, die seine Kreativität prägt und inspiriert.
Wie die Scheherazade der nahöstlichen Dichtung ist Lloyd der ewige Geschichtenerzähler, der aus einer nie versiegenden Quelle der Inspiration zu schöpfen scheint. Seine Geschichten können bezaubern und betören und sind gleichzeitig von tiefem Sinn und großen Gefühlen durchdrungen. Wenn man jedoch ein wenig genauer hinsieht, stellt man fest, dass sein musikalisches Erzählen vom Blues geformt und beseelt ist. 1938 in Memphis, Tennessee, geboren, stammt Lloyd aus dem Kernland des Blues und stand in seinen prägenden Jahren unter dem Einfluss der Bands von Bluesmeistern wie Howlin' Wolf, B. B. King und Bobby „Blue“ Bland. „Der Blues geht mir nicht aus dem Sinn, weil er zu meiner Vergangenheit gehört“, sagt Lloyd. „Es war schon ein Erlebnis, mit diesen Jungs zu spielen, mit Howlin' Wolf zum Beispiel – niemand hat je ein Gebäude so zum Beben gebracht wie er ... Und ich war gerade mal ein Teenager, da sagte mir Bobby ‚Blue‘ Bland, ich spielte seinen Song Peaches besser als jeder andere, der ihn jemals gespielt hätte.“
Die wichtigste Lektion, die Lloyd von diesen Musikern gelernt und nie vergessen hat, ist, welche Bedeutung die Kommunikation mit dem Publikum hat. „Als ich mit ihnen zusammen auftrat, staunte ich, wie sie die Wände wackeln ließen. Sie waren Kommunikationskünstler. Diese Art und Weise, das Publikum zu bewegen, hat wiederum mich sehr bewegt. Viele können gut spielen, aber ihre Musik findet nur auf der Bühne statt, während diese Jungs jedes Mal noch die hinterste Ecke des Saals erreichten. Das ging mir unter die Haut und faszinierte mich, und irgendwie wurde ich davon angesteckt – ich verstand, dass es wichtig ist zu kommunizieren, wenn man das Glück hat, etwas zu sagen zu haben.“
Lloyds Fähigkeit, sein Publikum durch die magische Kraft der Improvisation zu berühren, zieht sich wie ein roter Faden durch seine gesamte Karriere – von der frühen Arbeit mit Chico Hamilton und Cannonball Adderley bis in die 1960er Jahre zu seinem ersten großartigen Quartett mit Keith Jarrett und Jack DeJohnette, das 1966 Forest Flower: Charles Lloyd at Monterey aufnahm, einen der ersten Millionen-Seller im Jazz. Diese Magie hat sich in Charles Lloyds Karriere immer wieder eingestellt. Ein Grund dafür ist seine Bereitschaft zu experimentieren und sich selbst in herausfordernde musikalische Situationen zu begeben, die ihn ganz offensichtlich dazu inspirieren, eine höhere Ebene des kreativen Musizierens zu erreichen. In den letzten 20 Jahren, in einem Alter, in dem die meisten Jazzmusiker ihr Arbeitspensum reduzieren, hat er sich selbst mit einer zunehmenden Bandbreite musikalischer Konstellationen immer neu gefordert. Diese beiden Auftritte im Pierre Boulez Saal mit zwei Trios, deren musikalische Charakteristiken, Ambitionen und Perspektiven vollkommen unterschiedlich sind, veranschaulichen das auf ideale Weise.
—Stuart Nicholson
Dieser Textausschnitt erschien erstmals im Programmheft des Pierre Boulez Saals zum Konzertfestival „A Charles Lloyd Celebration“ vom 4. bis 7. Dezember 2021.
Charles Lloyd
Saxophone
Zakir Hussain
Tabla
Marvin Sewell
Gitarre
Produced by Zabrisky Film
Kamera
Ede Müller
Franz Thienel
Hans Schauerte
Edition & Colour Grading
Franz Thienel
Tonmeister
Lorenz Fischer
Saal-Beschallung
Jakob Mäsel
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