Alexander Hawkins
Ft. Sofia Jernberg, Nicole Mitchell, Tomeka Reid, Gerry Hemingway, Matthew Wright
Musik / Konzert Improvisierte Musik & Jazz 1
Der britische Pianist und Komponist Alexander Hawkins stellt sich anlässlich seines Pierre Boulez Saal-Debüts mit zwei komplementären Aspekten seiner musikalischen Sprache vor. Im Duo Musho mit der schwedischen Sängerin Sofia Jernberg werden traditionelle Lieder aus Äthiopien, Armenien, Schweden und anderen Ländern zum Ausgangspunkt für die Entstehung einer außergewöhnlichen und sehr persönlichen Klangwelt. Im zweiten Set des Abends erhalten Hawkins und Jernberg prominente Unterstützung von drei Musiker:innen, die allesamt selbst als Bandleader international erfolgreich sind. Gemeinsam präsentieren sie die Uraufführung neuer, vom Pierre Boulez Saal in Auftrag gegebener Kompositionen, in denen sich der natürliche Klang und die Architektur des Saals mit der kunstvollen Arbeit von Sounddesigner Matthew Wright zu einem besonderen musikalischen Raumerlebnis verbinden. Das Konzert findet als Voreröffnung zum und in Zusammenarbeit mit dem Jazzfest Berlin statt, das am 3. November beginnt.
In Zusammenarbeit mit Berliner Festspiele / Jazzfest Berlin
Der Audio-Livestream ist ohne Einschränkung verfügbar. Zum On-Demand-Streaming nach dem Konzert haben nur Mitglieder von Pierre Boulez Saal Online Zugang. Mehr über unser neues Online-Angebot erfahren.
Der Audio-Mitschnitt des Konzerts wird zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.
Das Programm des heutigen Abends besteht aus zwei Teilen. Das Duo Musho existiert seit 2016, als Sofia und ich eingeladen wurden, im Bimhuis in Amsterdam ein Konzert zu geben. Da sie zuvor schon zusammen mit Hailu Mergia gespielt hatte und ich selbst mit Mulatu Astake, kamen wir auf die Idee, äthiopische Lieder zum Ausgangspunkt für das Programm zu machen. Diese Lieder sind Teil unseres Repertoires geblieben, das sich seitdem (unter anderem) um Musik aus Ländern wie Armenien und Schweden erweitert hat. Für mich als Musiker ist die quasi unzerstörbare Identität dieses Materials gleichermaßen ein Geschenk und eine faszinierende Herausforderung. Das Wort „Musho“ stammt aus dem Amharischen und bedeutet soviel wie „trauriges Lied“ oder „Trauergesang“.
Die Musik, für die Musho steht, ist oft sehr reduziert, und ich hoffe, dass sie in der für ihre natürliche Schönheit bekannten Akustik des Pierre Boulez Saals einen ganz speziellen Widerhall findet. Im Gegensatz dazu habe ich die neu in Auftrag gegebenen Werke, die den zweiten Teil des Abends bilden, im Hinblick darauf konzipiert, die Möglichkeiten der besonderen akustischen Dimensionen des Raums und seiner Tontechnik erfahrbar zu machen. Durch Bearbeitung und Bewegung des Klangs innerhalb des Saals wird es uns – so hoffe ich – gelingen, die natürlichen Eigenschaften des Raums abwechselnd zu erweitern, zu komplementieren oder vielleicht sogar zu verschleiern. Diese Kompositionen sind mehr oder weniger modular angelegt, und auch wenn es gewisse „Familienähnlichkeiten“ zwischen einzelnen Materialgruppen gibt, steht insgesamt der Gedanke der Wiederholung in unterschiedlichen Gestalten im Mittelpunkt.
Das Sextett, das dieses zweite Set bestreitet, ist von einer ganzen Reihe musikalischer Beziehungen durchzogen. Mit den akustischen Instrumentalist: innen habe ich früher schon im Duo gespielt, außerdem haben Sofia und ich beide in verschiedenen Trios mit Nicole und Tomeka zusammengearbeitet – die wiederum eine langjährige Partnerschaft verbindet. Ich habe Matts Musik gespielt und er meine, und gemeinsam haben wir uns mit Repertoire von Anthony Braxton beschäftigt, dessen künstlerische Partnerschaft mit Gerry legendär ist. Ich hoffe, dass sich in diesem Ensemble das Einfühlungsvermögen und gegenseitige Verständnis aus den bestehenden Beziehungen mit der Entdeckungsfreude verbindet, die dadurch entsteht, dass diese spezifische Konstellation vollkommen neu ist. Schließlich bleibt mir nur noch zu sagen (zumindest in Worten, wenn nicht in Klängen), dass alle Musiker:innen, die heute Abend auf der Bühne stehen, für mich eine permanente Inspirationsquelle sind, wofür ich ihnen sehr dankbar bin – so wie ich Ihnen dankbar bin, dass Sie gekommen sind, um unsere Musik zu hören.
—Alexander Hawkins
Alexander Hawkins
Die Arbeit des Komponisten, Pianisten und Organisten Alexander Hawkins verbindet freie Improvisation mit Komposition und Struktur. Neben seiner Tätigkeit als Solist und Bandleader hat er auf der Bühne ebenso wie im Aufnahmestudio mit einer Vielzahl von Musiker:innen aller Generationen zusammengearbeitet, darunter Evan Parker, John Surman, Wadada Leo Smith, Mulatu Astatke, Han Bennink, Rob Mazurek, Matana Roberts und Shabaka Hutchings. Besonders hervorzuheben ist seine langjährige künstlerische Partnerschaft mit dem legendären südafrikanischen Schlagzeuger Louis Moholo-Moholo.
Sofia Jernberg
Die schwedische Sängerin, Komponistin und Improvisatorin Sofia Jernberg wurde 1983 geboren und wuchs in Äthiopien, Vietnam und Schweden auf. Ihr besonderes Interesse gilt den instrumentalen Möglichkeiten der Stimme, und ihr musikalisches Vokabular umfasst Klänge und Techniken, die oft im Widerspruch zu einem konventionellen Gesangsstil stehen, darunter auch Obertongesang. Sie war in Musiktheaterwerken wie Arnold Schönbergs Pierrot lunaire und Salvatore Sciarrinos Lohengrin sowie in dem Film Union of the North von Matthew Barney, Erna Ómarsdóttir und Valdimar Jóhannsson zu hören und arbeitete mit bildenden Künstler:innen wie Camille Norment zusammen.
Nicole Mitchell
Nicole Mitchell ist Flötistin, Komponistin, Bandleaderin und Pädagogin. Sie begann ihre Karriere Ende der 1990er Jahre in Chicagos innovativer Musikszene und leitet derzeit verschiedene Gruppen, darunter das Black Earth Ensemble. Außerdem trat sie zusammen mit Ballaké Sissoko, Geri Allen, Bill Dixon, und dem Art Ensemble of Chicago auf. Sie erhielt zahlreiche Kompositionsaufträge sowie den Herb Alpert Award, den 3Arts Award und den Doris Duke Artist Award. 2018 wurde sie vom American Composers Forum als Champion of New Music ausgezeichnet. Sie war Präsidentin der Association for the Advancement of Creative Musicians.
Tomeka Reid
Die Cellistin und Komponistin Tomeka Reid etablierte sich zunächst in der Improvisations- und Jazzszene Chicagos und lebt heute in New York. Ihre melodische Sensibilität, die sich mit einem ausgeprägten Sinn für Rhythmus verbindet, war im Laufe der Jahre in vielen renommierten Ensembles zu erleben. Neben ihrer Tätigkeit als Bandleaderin für das Tomeka Reid Quartet und Hear in Now tritt sie regelmäßig mit musikalischen Partner:innen unterschiedlicher Generationen auf, darunter Anthony Braxton und Roscoe Mitchell, mit dem sie derzeit im Art Ensemble of Chicago zusammenarbeitet. Vor wenigen Tagen wurde sie mit einem MacArthur Fellowship ausgezeichnet.
Gerry Hemingway
Der Schlagzeuger und Komponist Gerry Hemingway ist seit den 1980er Jahren Bandleader einer Reihe von Quartetten und Quintetten und war Mitglied von Ensembles wie BassDrumBone, Brew mit Reggie Workman und Miya Masaoka, einem Trio mit Georg Gräwe und Ernst Reijseger sowie Duo-Projekten u.a. mit Marilyn Crispell, Samuel Blaser, Thomas Lehn, Ellery Eskelin und Jin Hi Kim. Elf Jahre lang gehörte er dem Anthony Braxton Quartett an. Er erhielt zahlreiche Kompositionsaufträge für Kammermusik- und Orchesterwerke, wurde mit einem Guggenheim Fellowship ausgezeichnet und arbeitete mit einigen der weltweit bedeutendsten Improvisator:innen und Komponist:innen zusammen, darunter Evan Parker, Cecil Taylor, Mark Dresser, Anthony Davis, Derek Bailey, Wadada Leo Smith, Frank Gratkowski und Simon Nabatov.
Matthew Wright
Matt Wright ist Komponist, Produzent und Sounddesigner und lebt in Kent. Seine vielfältige Tätigkeit umfasst Avant Electronics, Kammermusikkompositionen und Projekte mit Tanz, Theater und Film. Er arbeitete mit Künstler:innen und Ensembles wie Evan Parker, Peter Evans, Ikue Mori, Claron McFadden, Neil Charles, Elaine Mitchener, Alexander Hawkins, B’Rock Orchestra, Spring Heel Jack und Ensemble Klang zusammen. Als musikalischer Leiter betreute er die Uraufführung von Lee Hall’s Network am National Theatre in London mit Bryan Cranston in der Hauptrolle.