Claude Debussy
Sonate für Flöte, Viola und Harfe
Matthias Pintscher
beyond II (bridge over troubled water)
für Flöte, Viola und Harfe
Pierre Boulez
sur Incises
Claude Debussy (1862–1918)
Sonate für Flöte, Viola und Harfe (1915)
I. Pastorale. Lento, dolce rubato
II. Interlude. Tempo di minuetto
III. Finale. Allegro moderato ma risoluto
Matthias Pintscher (*1971)
beyond II (bridge over troubled water)
für Flöte, Viola und Harfe (2020)
Claudia Stein Flöte
Volker Sprenger Viola
Aline Khouri Harfe
Pause
Pierre Boulez (1925–2016)
sur Incises (1996–98/2006)
Matthias Pintscher Musikalische Leitung
Julia Hamos, Hidéki Nagano, Michael Wendeberg Klavier
Aline Khouri, Susanne Kabalan, Stephen Fitzpatrick Harfe
Jean-Baptiste Bonnard, Martin Barth, Dominic Oelze Schlagzeug
Paul Klee, Drei in Verwirrung (1940)
Das Boulez Ensemble interpretiert zum Geburtstag von Pierre Boulez sur Incises für drei mal drei Musiker:innen sowie Trios von Debussy und Pintscher.
Werkeinführung von Martin Wilkening
Dreimal drei wird eins
Zu den Werken von Pintscher, Debussy und Boulez
Martin Wilkening
Zwischen Diesseits und Jenseits
Matthias Pintschers beyond II
Anlässlich der Uraufführung von beyond II (bridge over troubled water) im Sommer 2020 betonte Matthias Pintscher die Verbindung seines Werks zu Debussys Sonate für Flöte, Bratsche und Harfe, die seiner Komposition im heutigen Konzert als Pendant gegenübersteht. Schon länger habe ihn die Idee beschäftigt, etwas für diese Besetzung zu schreiben. Den äußeren Anlass bildete schließlich ein Kompositionsauftrag für das Festival of New Music, das im Juni 2020 im Pierre Boulez Saal stattfand. Das Projekt war eine unmittelbare Reaktion auf den erzwungenen Stillstand des öffentlichen Musiklebens im ersten Pandemie-Jahr: Die Aufführungen und begleitenden Gespräche zu den zehn neuen Werken fanden im leeren Saal statt, für ein Publikum im virtuellen Raum. Innerer Anlass aber war für Pintscher – wie gut 100 Jahre zuvor für Debussy – das Erlebnis äußerster emotionaler Bedrängnis. Die ersten angstvollen Wochen der Isolation im März und April 2020 erlebte er in New York. Sein Trio, das er bald nach der Befreiung aus der ersten Schockstarre schrieb, bezieht sich im Untertitel auf das berühmte Lied von Simon and Garfunkel. Tatsächlich habe ihm dieses Stück, wie Pintscher erzählt, Hoffnung und Kraft gegeben, eine emotionale Krise durchzustehen. Das Bild eines nahestehenden Menschen als Brücke über aufgewühltes, gefahrvolles Wasser in rauen Zeiten sieht er als „Inspiration der Klanglandschaft“ seiner Komposition. Verwendet er darüber hinaus auch musikalische Referenzen an den Song, etwa jene auffällige Abwärtsbewegung in Sekundschritten, die beide Stücke verbindet? Womöglich ist das eine zufällige Assoziation. Pintscher selbst betont, in seinem Werk kein musikalisches Material aus dem Lied adaptiert zu haben.
Über seinen Haupttitel ist beyond II mit dem Flötensolo beyond (a system of passing) verbunden, entstanden 2006 für Emmanuel Pahud, der auch an der Uraufführung des Trios beteiligt war. Beide Stücke entwickeln sich in einer dialogischen Beziehung zum Werk anderer Künstler. (beyond ist ein musikalischer Kommentar zu einer Bildgruppe des Malers Anselm Kiefer.) In beiden Fällen existiert zu den Bezugswerken eine Grenze – die des künstlerischen Ausdrucksmediums, die des Genres –, die transzendierend überschritten wird. Es entsteht ein Diesseits und ein Jenseits („beyond“), das von beiden Seiten als solches verstanden werden kann. Diese Grenze und ihre Überschreitung scheint aber in beyond II auch innerhalb des Stücks angelegt. Pintscher gliedert sein einsätziges Trio klar in zwei Teile: durch eine Generalpause, die das Eindringen der Stille aus mehreren kleinen Pausen des vorausgegangenen Teils bündelt, und die „ungefähr 25 Sekunden“ zu halten ist, so die Angabe in der Partitur. Sie wirkt wie eine Überleitung, gemacht scheinbar aus nichts. Im Fortgang hat sich die Klanglandschaft gewandelt, die teils heftigen Ausbrüche und Akzente, die zuvor, in jeder Stimme unterschiedlich, immer wieder den filigrane Satz durchbrachen, treten jetzt zunächst zurück – und wenn sie in diesem zweiten Teil noch einmal erscheinen, wirken sie fast wie Erinnerungen an etwas, das noch nicht gänzlich vergangen, aber doch schon in die Ferne gerückt ist. Die Öffnung zur Stille trägt auch zum Ausdruck einer gleichsam rituellen, vielleicht zeremoniellen Dimension dieser Musik bei, die am deutlichsten wahrnehmbar wird in der Einbeziehung eines vierten Instruments in das Trio. Es ist das Tamtam, das mit insgesamt vier Schlägen eine Aura des Mysteriösen beschwört, als Zeichen einer abgemessenen Zeit hinter derjenigen, die sich zwischen den übrigen drei Instrumenten abspielt.
„…eine Kunst von schärferer Spannung“
Claude Debussys Sonate für Flöte, Viola und Harfe
Von seiner geplanten Serie aus sechs Sonaten für verschiedene Instrumente konnte Claude Debussy nur drei vollenden. 1918 starb er kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs während des Beschusses von Paris an einer langjährigen Krebserkrankung. In diesen Sonaten, konzipiert und komponiert in einer Zeit politischer wie persönlicher Depression, griff Debussy mit seiner bewussten – und polemischen – Verwendung des durch die deutsche Tradition besetzten Sonaten-Begriffs auf die französische Musik des 17. und 18. Jahrhunderts zurück. Am sinnfälligsten geschieht dies wohl in dem vom Rokoko inspirierten Trio, das er als zweites Werk der Reihe veröffentlichte. Das Titelblatt der Erstausgabe trug den Text: „Sechs Sonaten / für verschiedene Instrumente / komponiert von Claude Debussy / französischer Musiker / die Zweite für Flöte, Bratsche und Harfe.“
Den Titel „musicien français“ hatte sich Debussy schon 1914 zugelegt. Es war sein Akt des Widerstands – konnte er doch, von Natur aus kein Krieger und durch seine Krankheit zusätzlich geschwächt, nicht wie fast alle seine Komponistenkollegen, von Satie über Dukas bis Ravel, ins Feld ziehen. 1915 entstanden die ersten beiden Sonaten der Sammlung, für Cello und Klavier und für die Trio-Besetzung. 1917 folgte diesen äußerlich eher heiteren Werken noch die stärker verschattete Sonate für Violine und Klavier. Ihr Manuskript trägt am Schluss die Anmerkung, „die vierte wird für Oboe, Horn und Cembalo sein“. In der fünften Sonate sollten Trompete, Klarinette, Fagott und Klavier aufeinandertreffen; der Plan für die sechste sah vor, die bisherigen Instrumente und zusätzlich einen Kontrabass aufnehmen.
In Briefen an seinen Freund Robert Godet, deren sarkastischer und oft verzweifelter Ton um die Zumutungen kreist, die das Leben der Kunst entgegenstellt, schrieb Debussy kurz nach der Vollendung der Sonate für Flöte, Bratsche und Harfe: „Ich bin zurückgekehrt von einem Aufenthalt am Meer […] dort war ich wieder einmal fähig, in musikalischen Begriffen zu denken, was ich das ganze letzte Jahr hindurch nicht konnte. Es ist sicher nicht wesentlich, dass ich Musik schreibe, aber es ist das einzige, wozu ich fähig bin, mehr oder weniger kompetent. Ich muss mich demütig auf das Gefühl des in mir verborgenen Todes einlassen. Ich schreibe wie ein Wahnsinniger, oder wie einer, der am nächsten Morgen verurteilt werden wird.“ Im Jahr darauf, am Tag nach der ersten Privataufführung der Sonate, heißt es: „Ihr Klang ist nicht schlecht, aber es ist nicht mein Anliegen, mit dir über die Musik zu sprechen. Ich könnte es trotzdem ohne Verlegenheit tun, weil es die Musik eines Debussy ist, den ich nicht mehr kenne. Das ist schrecklich traurig, und ich weiß nicht, ob es zum Lachen oder zum Weinen ist – vielleicht beides zugleich?“ Pierre Boulez erkannte in Debussys letzten Kammermusikwerken gegenüber seinen früheren Kompositionen „eine Kunst von schärferer Spannung, asketischerer Haltung, die auf unmittelbare Verzauberung verzichtet, aber von einem Reichtum der Inspiration ohnegleichen ist.“
Zwischen der heiteren Idyllik des ersten Satzes und der von Ausbrüchen der Angst gezeichneten Musik des drittem mit ihren unheimlichen Echos, geräuschhaften Tonrepetitionen und schwirrenden Trillern steht vermittelnd der zweite Satz, dessen Stimmung zwischen Anmut und Melancholie pendelt. Die wechselnden Vortragsbezeichnungen des Hauptthemas bei dessen dreimaligem Erscheinen deuten die Stimmungsentwicklung an: „dolce semplice“ beim ersten Mal in der Flöte, „espressivo e delicatissimo“ beim zweiten Mal in der Harfe und „dolce e tristamente“ beim dritten Mal in Flöte und Bratsche. Mit einem deutlichen Zitat erinnert der letzte Satz kurz vor Schluss noch einmal an die Idylle des ersten (über einem Halteton der Bratsche). Dieses Zitat ist nicht allein das äußere, rhetorische Zeichen der metamorphisch entwickelten Motivbeziehungen, die das ganze Stück prägen, es leitet darüber hinaus von der bedrückten moll-Stimmung des letzten Satzes wie durch den Blick in vergangene Ferne in eine kurze, aufleuchtende Coda hinein, mit der das Werk ausklingt.
Klangspiegelungen
Pierre Boulez’ sur Incises
Als „incise“ wird in der französischen Grammatik ein eingeschobener Satz bezeichnet. Etwas allgemeiner bedeutet dieses Wort aber auch einen Einschnitt, also das, was einen Einschub überhaupt erst möglich macht. Incises nannte Pierre Boulez ein 1994 für einen Klavierwettbewerb entstandenes, etwa siebenminütiges Klavierstück. Seine gestalterische Herausforderung liegt in dem häufigen Wechsel zwischen virtuos schnellen Passagen und der Entfaltung von Resonanzräumen einzelner Klänge. Der Komponist empfand in dieser Polarität ein Potenzial, das nach einer Erweiterung der raum- zeitlichen Dimensionen strebte – und so entstand sur Incises.
Die Besetzung mit jeweils drei Klavieren, drei Harfen und drei Schlagzeugparts erscheint zunächst als eine vom Klavier ausgehende Spiegelung des Klangkorpus in zwei Richtungen: die Saiten entsprechen der Harfe, der Resonanzraum und die Mechanik den Schlaginstrumenten. Diese Dreierkonstellation wird dann mit sich selbst multipliziert und gleichsam in den Raum hineingespiegelt, was in der vorgeschriebenen Aufstellung deutlich wird, die die Instrumente nicht als klanglich homogene Gruppen, sondern als drei gemischte Trios positioniert und damit die dreifache Spiegelung quasi visuell darstellt. Trotzdem entwickeln sich auch innerhalb der Instrumentengruppen enge musikalische Beziehungen. Die drei Klaviere und ihre Interaktion stehen dabei im Vordergrund, der allerdings durchlässig bleibt. Aus dem Hintergrund erfährt er nicht nur eine eigentümliche Beleuchtung, sondern auch Anregung. So spielen sich die drei Klavier zu Beginn des Werks, in dem sich die Musik freischwebend aus einzelnen Gesten aufbaut, in tiefer Lage Klänge zu, die aus einer stets variierten Vorschlagsbewegung und einem anschließend liegenbleibenden Ton bestehen. Die Harfen bilden dazu eine Art Klangschatten, während eine einzelne Marimba im Hintergrund schnelle Läufe und Tonrepetitionen beisteuert, die wie aus der Ferne bereits die Gestik vorwegnehmen, die bald darauf von den Klavieren aufgenommen wird. Und im Mittelteil des Stücks verwendet Boulez zusammen mit Pauken auch Steel Drums, die eigenartige, wie elektronisch gefilterte Klänge erzeugen. Sie kommen nur an dieser Stelle vor, abgesehen von einer Reminiszenz vor dem Ende des Stückes. Boulez verbindet damit eine persönliche Erfahrung, die er einmal in einem Gesprächskonzert beschrieb. Als er 1956 auf einer Reise die damals touristisch noch nicht erschlossenen Karibik-Inseln Guadeloupe und Martinique besuchte, hörte er am Strand eine Gruppe junger Männer Steel Drums spielen. Den Eindruck von ihrer Lebensfreude, so erklärte er fast ein halbes Jahrhundert später, werde er nie vergessen.
Aus inneren Erfahrungen wie dieser speist sich Boulez’ Interesse an außereuropäischer Musik, das er auch theoretisch reflektierte. In einem Gespräch zu sur Incises erläuterte er den sachlichen Hintergrund seiner Verwendung der karibischen Instrumente: „Ich gebrauche die Steel Drums nicht um ihrer selbst willen als exotische oder folkloristische Farbe, sondern weil sie die herkömmlichen Grenzen der einzelnen Instrumentenfamilien aufsprengen. Man fragt sich, was ist das? Denn dieser Klang gehört zu allen Familien und zu keiner Familie zur gleichen Zeit.“
Die beiden großen Außenteile der Komposition stehen sich in ihrer Spieldauer etwa im Verhältnis von eins zu zwei gegenüber, der kürzere Mittelteil nimmt etwa die Hälfte des ersten ein. Während dieser erste Teil in deutlichen Schnitten von der Gegenüberstellung der beiden Hauptgesten lebt – nach kurzen Vorschlägen ausschwingende Klänge und virtuose Passagen –, findet im zweiten Hauptteil eine ebenso intensive wie extensive Mischung beider Elemente statt. Fast könnte man von einer Art Durchführung sprechen. Die Zielrichtung hin zum Ende der großen Form kündigt sich fast klassisch an: zum einen durch kleine Kadenzen der Klaviere, zum anderen durch eine zunehmende Verbreiterung des Tempos, die einhergeht mit einer auratischen Überhöhung des Klangs durch Glockenklänge, und schließlich durch eine nochmals beschleunigte Montage der Einschnitte und Einschübe.
Martin Wilkening, geboren 1959 in Hannover, lebt seit 1977 in Berlin, unterbrochen von mehrjährigen Aufenthalten in Korea und Albanien. Er studierte Musik und Literaturwissenschaft und arbeitet seit 1981 als Autor, Musikkritiker, Dozent, Lektor und Verleger.
Pierre Boulez, 2006 (© Peter Adamik)
Three composers, three works. Among them, connections are not hard to find. Debussy was for Boulez the great example, especially of music that flows of itself, obedient to no rule. Boulez served that function of musical grandfather for Pintscher, who was able many times to meet, and to have his music played by, the musician he continues to value as a model of progress and curiosity.
Essay by Paul Griffiths
Links across Time
The Boulez Ensemble Performs Debussy, Pintscher, and Boulez
Paul Griffiths
Three composers, three works. Among them, connections are not hard to find. The pieces by Matthias Pintscher and Claude Debussy are scored for the same players—again three. Debussy was for Boulez, two generations younger, the great example, especially of music that flows of itself, obedient to no rule. Separated by a similar difference in age, Boulez served that function of musical grandfather for Pintscher, who was able many times to meet, and to have his music played by, the musician he continues to value as a model of progress and curiosity.
Beyond
Commissioned by Daniel Barenboim, Pintscher wrote beyond II (bridge over troubled water) for A Festival of New Music, which was a cornucopia of new pieces devised to be recorded and filmed at the Pierre Boulez Saal in 2020 under the conditions of lockdown, with musicians widely separated, performing in an otherwise empty auditorium. Pintscher made those conditions work positively. For its loosened performers, the music is itself loosened, threading its way forward through proposals and responses. These are often quick, sometimes lengthy and at the border of audibility. The impression overall may be of fast music in slow time—the slow time of the pandemic, as many of us may have experienced it (if we were not trying to field small children).
At the Golden Section point, i.e., roughly five-eighths of the way through, the music breaks off for a very long fermata, through which Pintscher imagined his listeners continuing it alone, in remembering and striving to remember.
Of course, there always was the intention that, one day soon, this gentle antiphony would be perceived and relished by a live audience—most particularly an audience in the Pierre Boulez Saal, which Pintscher knew well, and treasured not only for its clear and supportive acoustic but also for its amphitheater space, the sense it imbues in a performance that we, as listeners, have come together. Tonight that forward dream of five years ago is realized for the first time.
The connection between beyond II and the Debussy Sonata is distant and one might say hazardous. Perhaps it is more a search for a connection, scanning back more than a century by means of fugitive filaments of sound. As the title suggests, there is a closer relationship with an earlier work of Pintscher’s, his flute solo beyond (a system of passing), which he wrote in 2013, and which was played here by Sophie Cherrier in 2022. Gestures from that piece are taken further in beyond II, which lasts 15 minutes.
Though there is no material connection with the Paul Simon number to which Pintscher refers in his subtitle, Bridge over Troubled Water, Pintscher found that song very much in his mind through the dark spring of 2020 as he composed the piece. It came to him as an embracing message of empathy, and for that it is honored here.
“Sonate, que me veux-tu?”
The question—“Sonata, what do you want from me?”—was quoted by Rousseau at the end of his entry on the sonata in the Encyclopédie. Allegedly posed first by the Enlightenment author Bernard Le Bovier de Fontenelle, it asks what is the meaning of an utterance having no words. And it is a question we can imagine prompting some reflection on the part of Debussy. Leaving aside lusting fauns and rough seas, what and how does music signify? Perhaps it was the question that prompted this endlessly sophisticated composer near the end of his life to divest himself of myths and marines and turn to pure music.
This was evidently a deliberate step. In the summer of 1915, staying at Pourville-sur-Mer, just outside Dieppe, he devoted himself to works without overt subject matter: En blanc et noir for two pianos, the Douze Études for piano, and the first two of what he intended as a set of six sonatas for different instrumental combinations. To friends he wrote of having to “relearn” music. To one, Désiré-Émile Inghelbrecht, he went on: “The emotional satisfaction one gets from putting the right chord in the right place can’t be equaled in any of the other arts. Forgive me. I sound as if I’ve just discovered music. But, in all humility, that’s rather what I feel like.”
Debussy was writing at the end of September, when he was in the midst of working on the fair copy of the second sonata, the one for flute, viola, and harp. The first sonata had been for cello and piano; the next would be for the equally standard duo of violin and piano; but this one assembled an echt-Debussian combination, a quintessence of the Debussy orchestra.
The opening movement is essentially ternary in form, with lazily moving outer sections and a livelier middle, but, as is characteristic of the whole Sonata, it proceeds largely as allusive drift, with recollections. It also has a nice habit of coming to a stop every now and then to reconsider. Right away Debussy shows his equal handling of the instruments, which take turns to lead or accompany, and his delicate judgement of sound (as when the viola first enters).
These are features, too, of the remaining movements, which are still further from any archetype. The heading “Tempo di menuetto” for the middle movement is a Debussian tease, for there is nothing antiquarian about these sonatas and certainly nothing stable. Then the finale is a miniature drama of conflict, anxiety, and reconciliation. Its opening, where the viola wants to take the piece in a quite different direction from that suggested by the flute, arouses typically Debussian undercurrents of menace, barely alleviated when the flute proposes a children’s game. Encouraged by a longer-range reprise, the conclusion is sunny, but who has won?
When Debussy eventually heard the piece rehearsed, at his publisher’s house in December 1916, he responded to its equivocations: “It’s terribly sad and I don’t know whether one ought to laugh at it or cry? Perhaps both?”
Music as Spiral Galaxy
After a first rush of startling, sudden achievements, culminating in Le Marteau sans maître (1953–5), Boulez entered a creative steady state, in which works would remain for long periods in progress, to be revised or expanded, in accordance with his view that music, no longer bound by the tonal cadence, was capable of endless ramifications. So it was here. In 1994 he dashed off a short piece for a piano competition: Incises (meaning parts of a sentence, set off by dashes). The following year he started work on a big development, sur Incises, in which the solo piano of the original is multiplied threefold thrice, so that the music ripples through an ensemble made up of three pianists and three players each on instruments that are, color-wise, next door: harps and tuned percussion.
In Incises he had worked, as in several earlier pieces, with a set of chords using notes derived from the surname of the Swiss patron Paul Sacher: E flat (“Es” in German)–A–C–B (“H” in German)– E– D (“ré” in French). His intention for sur Incises was that it should celebrate Sacher’s 90th birthday, in April 1996, but only a ten-minute fragment was ready by then, to be performed at concerts honoring Sacher in Basle and Paris. The full work, almost four times as long, was completed in 1998 and revised in 2006. That made it one of the last compositions on which Boulez worked, along with Dérive 2, for a similarly sized but mixed ensemble.
The original Incises put forward two kinds of idea: a rapid toccata-style mobility marked by stutterings of immediate note repetition and strummings at the bottom of the keyboard. These latter form the basis for the start of sur Incises—sunken bell music for pianos and harps plus a fluttering marimba, all of them fixed at first on a low F, suggesting perhaps entrapment, lethargy, or just a circling round the territory, exploring what is at hand before any decisive project is undertaken. As the music begins then to dart, linger, plummet in steadily increasing anticipation, the other two percussionists join the ensemble on vibraphones. A few minutes into the piece, the marimba offers a distinct rising scale (Boulez’s term for such gestures, which recur through the piece, was “levée,” an action of lifting) and the whole ensemble is off at high speed, careering through passages of insistent regular repetition from one register to another, harmonies and colors aswirl.
This lasts until about the ten-minute mark, where the cascade falters, the percussion instrumentation becomes deeper, more somber (steel drums, timpani, marimba), and the music returns to its opening character on a new bass focus, C sharp. Pianos and harps shoot off again, but the pull of the weightier percussion, the low C sharp, and the slow tempo keeps reasserting itself. At last the original nonet is resumed for another high-speed toccata, but only briefly before this music is interrupted—first by a calmer solo from the second piano—and soon largely supplanted by a flow of such mostly slower passages, for constantly varying groups caught together in entanglements and chimes, these occupying the whole central third of the piece.
Eventually a succession of waves leaves behind a new rapidity in which an upper treble B flat is constantly being emphasized, and this note remains strongly in evidence as the work winds down through further varying textures until just the three pianos are at play. In the final stages the musicians come together in a resonant eleven-note chord that is a summons to close. At first subverted, the summons is repeated, and this time its notes are picked off in successive chords to make at last an ending.
The work’s beginnings may be traced back beyond Incises to Boulez’s Éclat (1965), which also features a nine-piece percussive group, but on diverse instruments, and his two Improvisations sur Mallarmé of 1957, similarly scored. The sonnet he chose for the first of these—“Le vierge, le vivace et le bel aujourd’hui,” with its image of a swan caught on a frozen lake—has its parallel in this opus ultimum: in its intense frustrated activity, luminosity, fluidity, and whirling into the infinite.
Paul Griffiths wrote the first book on Pierre Boulez in any language in 1978. He also writes novels, including most recently let me go on (2023).

Matthias Pintscher
Musikalische Leitung
Matthias Pintscher erhielt seine musikalische Ausbildung zunächst als Dirigent bei Peter Eötvös, später konzentrierte er sich auf Komposition, heute widmet er sich gleichermaßen beiden Aspekten seiner Tätigkeit. Seine Werke wurden vom Chicago Symphony Orchestra, dem New York Philharmonic, den Berliner Philharmonikern, dem Orchestre de Paris, dem Boulez Ensemble und vielen anderen aufgeführt. Im Pierre Boulez Saal erlebten NUR für Klavier und Ensemble (2019) sowie beyond II (bridge over troubled water) (im Juli 2020 im Rahmen des digitalen Festival of New Music) ihre Premieren. Von 2013 bis 2023 prägte er als musikalischer Leiter eine Ära des von Pierre Boulez gegründeten Ensemble intercontemporain, das 2022 mit dem renommierten Polar Music Prize ausgezeichnet wurde. Im Herbst 2024 übernahm Matthias Pintscher die Position des Music Director des Kansas City Symphony. Seit 2020 ist er außerdem Creative Partner des Cincinnati Symphony Orchestra, wo er vergangene Saison u.a. die Uraufführung eines neuen Klavierkonzerts des Komponisten inti figgis-vizueta leitete. Zuvor wirkte er u.a. als Artist in Association des BBC Scottish Symphony Orchestra, Creative Chair des Tonhalle-Orchesters Zürich, Artist in Residence des Los Angeles Chamber Orchestra sowie von 2016 bis 2018 als Principal Conductor des Lucerne Festival Academy Orchestra. Seit 2014 unterrichtet er Komposition an der Juilliard School in New York.
März 2025

Boulez Ensemble
Das von Daniel Barenboim gegründete Boulez Ensemble hat seine künstlerische Heimat im Pierre Boulez Saal in der Barenboim-Said Akademie. Hier trat das Ensemble anlässlich des Richtfestes des Gebäudes im Juni 2015 erstmals öffentlich auf. Das internationale Debüt folgte im Januar 2017 im Rahmen einer Gedenkveranstaltung für Pierre Boulez in der Zankel Hall an der Carnegie Hall in New York. Seit der Eröffnung des Pierre Boulez Saals im März 2017 war das Ensemble hier gemeinsam mit Künstler:innen wie Thomas Guggeis, Oksana Lyniv, Zubin Mehta, Sir Antonio Pappano, Matthias Pintscher, Sir Simon Rattle, François-Xavier Roth, Lahav Shani, Giedrė Šlekytė, Jörg Widmann, Emmanuel Pahud, Mojca Erdmann, Christiane Karg, Magdalena Kožená, Dominique Horwitz und vielen anderen zu erleben. Als wandlungsfähiger Klangkörper ohne feste Besetzung besteht das Boulez Ensemble hauptsächlich aus Musiker:innen der Staatskapelle Berlin und des West-Eastern Divan Orchestra sowie Lehrenden und Studierenden der Barenboim-Said Akademie und internationalen Gastkünstler:innen. Seine künstlerische Identität gewinnt das Ensemble aus seinen Konzertprogrammen, die Repertoire der Klassik und Romantik, Meisterwerke des 20. Jahrhunderts und Musik unserer Zeit miteinander kombinieren und gleichzeitig kleiner besetzte Kompositionen großformatigen Kammermusikwerken gegenüberstellen. Einen wichtigen Schwerpunkt bilden dabei das Schaffen von Pierre Boulez und die Uraufführung von Auftragswerken; in den vergangenen Jahren waren neue Kompositionen von Benjamin Attahir, Johannes Boris Borowski, Luca Francesconi, Vladimir Genin, Matthias Pintscher, Aribert Reimann, Kareem Roustom, Vladimir Tarnopolski und Jörg Widmann zu hören. Das Ergebnis dieser Programmgestaltung ist ein klingendes Kaleidoskop der Stile, in dem das Neben- und Miteinander unterschiedlicher Werke neue Hörperspektiven eröffnet. Dieser Geist der musikalischen Entdeckungsfreude und des künstlerischen Dialogs geht direkt auf die Inspiration des Namensgebers Pierre Boulez zurück.
März 2025