Sara Wolstenholme Violine
Juliette Roos Violine
Gary Pomeroy Viola
Christopher Murray Violoncello

Joseph Haydn (1732–1809)
Streichquartett Es-Dur Hob. III:64 op. 64 Nr. 6 (1790)

I. Allegro
II. Andante
III. Menuetto. Allegretto – Trio
IV. Finale. Presto

 

Fanny Hensel (1805–1847)
Streichquartett Es-Dur (1834)

I. Adagio ma non troppo
II. Allegretto
III. Romanze
IV. Allegro molto vivace

 

Pause

 

Jörg Widmann (*1973)
Studie über Beethoven (6. Streichquartett) (2019)

Jörg Widmann (© Marco Borggreve)

Bisher habe er in seinem Schaffen „einen großen Bogen um diesen unnahbaren Kosmos gemacht“ – gemeint ist das Werk von Ludwig van Beethoven, mit dem sich Komponist Jörg Widmann in seinem Streichquartett Nr. 6 kreativ auseinandersetzt. Das Heath Quartet präsentiert Widmanns Studie über Beethoven zusammen mit Quartetten von Haydn und Hensel. 

Essay von Michael Kube

Variationen über ein Thema
Streichquartette von Haydn, Hensel und Widmann

Michael Kube


„…alle diese schöne Musicalische Abende“
Joseph Haydn: Streichquartett Es-Dur op. 64 Nr. 6

Joseph Haydns sechs Streichquartette op. 64 entstanden Mitte 1790 auf Schloss Eszterháza, wo der Komponist als Hofkapellmeister einen letzten Sommer verbrachte: Am 28. September des Jahres stirbt Fürst Nikolaus Esterházy; dessen Nachfolger Anton löst nach nur wenigen Tagen im Amt angesichts der desaströsen Haushaltslage die gesamte Kapelle wie auch die Operntruppe auf. Haydn hingegen bleibt aus Gründen des Renommees besoldet im Amt, wird aber von seinen Pflichten befreit. Doch schon zuvor war Haydn nach vielen Jahren offenbar seines Dienstes überdrüssig, wie aus einem ungewöhnlich offen formulierten Brief vom 9. Februar 1790 an Marianne von Genzinger hervorgeht: „Nun – da siz ich in meiner Einöde – verlassen – wie ein armer waiß – fast ohne menschlicher Gesellschaft – traurig – voll der Erinnerung vergangener Edlen tage – ja leyder vergangen – und wer weis, wann diese angenehme tage wieder komen werden? diese schöne gesellschaften? wo ein ganzer Kreiß Ein herz, Eine Seele ist – alle diese schöne Musicalische Abende – welche sich nur dencken, und nicht beschreiben lassen – wo sind alle diese begeisterungen? – weg sind Sie  – und auf lange sind sie weg.“ 

Diesen Umständen, wie dem Bedürfnis nach neuen Herausforderungen, ist es wohl zu verdanken, dass Haydn bereits kurze Zeit nach seiner Rückkehr nach Wien einen Vertrag mit dem Londoner Impresario Johann Peter Salomon unterzeichnete. Noch im Dezember trat er die erste seiner beiden Englandreisen an und setzte am Neujahrstag 1791 von Calais nach Dover über. In London, das bereits Ende des 18. Jahrhunderts ein voll entwickeltes öffentliches Musikleben besaß, gelangten in den Salomon Concerts aber nicht nur Symphonien, sondern auch drei der Streichquartette op. 64 zur Aufführung. Mit dieser öffentlichen Präsentation verließ nun das als intime Kammermusik entstandene und in diesem Rahmen kompositorisch entwickelte Quartett seinen angestammten Ort und trat in einen vollkommen neuen Bereich ein. Auf dem Programm der Konzerte vom 18. März, 15. April und 6. Mai stand jeweils ein „New Quartetto“, bei dem Salomon als Primarius das Ensemble anführte. Für die Bedeutung dieser Aufführungen spricht auch der von der Londoner Verlegerin Anne Bland zügig veröffentliche Druck, auf dessen Titelblatt vermerkt ist: „performed under his direction at Mr. Salomon’s Concert.“

Obwohl Haydn bei der Komposition der Sammlung nicht explizit auf die Anforderungen einer öffentlichen Aufführung Rücksicht nahm (Bland hatte ihn zwar 1789 in Eszterháza aufgesucht, der Londoner Kontrakt lag aber noch nicht vor), scheint er bei der Anlage der Sätze doch nicht allein an eine Kammer, also einen musikalischen Salon gedacht haben, sondern an eine Präsentation vor einem größeren Publikum – einem Publikum, das nicht nur aus Kennern und Liebhabern besteht, sondern auch andere, heterogene Voraussetzungen und musikalische Erfahrungen mitbringt. Diese neue Tendenz innerhalb der Gattung Streichquartett spiegelt sich sowohl in der Disposition der Werke wie auch in der Thematik und satztechnischen Ausarbeitung: Haydn bevorzugt etwa gleichermaßen weite Dimensionen wie einfache Formen mit einer teils konzertanten, teils gelehrt-kontrapunktischen, mal dicht gedrängten, mal locker gefügten Faktur – und bildet damit eine nach außen hin schlichte, nach innen jedoch subtile Satzkunst aus, die gleichsam jedem musikalischen Geschmack etwas zu bieten hat. 


„Mein Lieblingsstück ist das Scherzo…“
Fanny Hensel: Streichquartett Es-Dur

Es mag die Vielseitigkeit der Gattung, aber auch der mit ihr von Anfang an verbundene kompositorische Anspruch sein, der Carl Maria von Weber im Jahre 1818 in bis heute gültiger Weise die Faktur eines Streichquartetts als offengelegtes ideales Gerüst definieren ließ: „Das rein Vierstimmige ist das Nackende in der Tonkunst.“ Schon 1793 hieß es bei Heinrich Christoph Koch im Versuch einer Anleitung zur Composition, dass das „Quatuor eine der allerschweresten Arten der Tonstücke ist, woran sich nur der völlig ausgebildete, und durch viele Ausarbeitungen erfahrene Tonsetzer wagen darf.“ Nach Haydn und Mozart, deren Werke zu diesem Zeitpunkt bereits als Muster galten, wurde durch Ludwig van Beethoven die Gattung auf eine weitere Stufe gehoben – insbesondere durch seine späten Streichquartette, deren Anlage und Ausdruck vielen seiner Zeitgenossen rätselhaft blieben, damit aber bis ins 20. und 21. Jahrhundert nachwirkten. Da in den 1820er Jahren mit den neuen Kompositionen die spieltechnischen und gestalterischen Anforderungen stiegen, suchten Liebhaber:innen der Gattung auch Orientierung in mustergültigen öffentlichen Quartettaufführungen (in Wien etwa bei denen von Ignaz Schuppanzigh und seiner Quartettgesellschaft), oft mit der gerade in Mode gekommenen Taschenpartitur in der Hand, um den mitunter komplexen Satzverlauf zu verfolgen.

Für die 1820er und 30er Jahre war demnach eine recht vielfältige Produktion neuer Streichquartette zu verzeichnen, zumal sich eine jüngere Generation von Komponist:innen nicht allein dem Vorbild Beethovens, sondern auch dem aufkommenden romantischen Tonfall verpflichtet fühlte. Zu ihnen zählen – mit ganz eigenen stilistischen Wegen und Ausrichtungen – Georges Onslow, Franz Schubert und Felix Mendelssohn Bartholdy. Das 1834 entstandene Streichquartett Es-Dur von Fanny Hensel, der um vier Jahre älteren Schwester Mendelssohns, blieb hingegen singulär in ihrem Schaffen. Wie der Bruder hochkarätig auf dem Klavier und in der Komposition ausgebildet, trat sie, den gesellschaftlichen Vorgaben der Zeit gehorchend, freilich nicht einmal als Pianistin an die Öffentlichkeit, sondern leitete die 14-tägigen Sonntagsmusiken im Elternhaus, studierte Opern für dortige private Aufführungen ein und dirigierte einige Male in kleines Orchester.

Kompositorisch stellte sie sich unter die beratende Obhut ihres Bruders. Erst spät, nur wenige Monate vor ihrem plötzlichen Tod im Alter von 41 Jahren, fasste sie den Entschluss, eine Reihe von Liedern und Klavierstücken zu veröffentlichen, postum erschien darüber hinaus noch ein Klaviertrio aus dem Jahre 1847. Das Streichquartett dagegen wurde erst 1988 und somit mehr als 150 Jahre nach seiner Fertigstellung gedruckt. Musikalisch geht die Partitur auf ältere Skizzen sowie eine aus dem Jahr 1829 stammende unvollendete Klaviersonate zurück, und doch ist sie ganz für die Streicherbesetzung ausgearbeitet. Felix zeigte sich vor allem von den beiden Binnensätzen angetan („Mein Lieblingsstück ist das Scherzo nach wie vor, doch gefällt mir auch sehr das Thema der Romanze“), äußerte aber – auch mit Blick auf eigene frühere Werke – Bedenken gegenüber manchen Modulationen. Fanny wiederum erinnerte an Beethoven und den mit seinen späten Werken verbundenen Ausdruckscharakter: „Ich habe nachgedacht, wie ich, eigentlich gar nicht excentrische oder hypersensible Person zu der weichlichen Schreibart komme? Ich glaube es kommt daher, dass wir grade mit Beethovens letzter Zeit jung waren, und dessen Art und Weise wie billig [natürlicherweise], sehr in uns aufgenommen haben. Sie ist doch gar zu rührend und eindringlich.“


„…einen neuen Quartettzyklus mit ungewissem Ausgang“
Jörg Widmann: Studie über Beethoven (6. Streichquartett)

Er gilt als einer der führenden Komponisten seiner Generation, und doch ist Jörg Widmann auch weiterhin auf der Klarinette als Kammermusiker und Solist (und in jüngerer Zeit auch als Dirigent) tätig. Diese professionelle Verbindung hat zahlreiche Werke hervorgebracht, eigene wie auch ihm gewidmete, vor allem aber eine schöpferische Ästhetik, die sich nicht nur gegenüber strukturalistischen Tendenzen abgrenzt, sondern auch das „individuelle Wechselspiel zwischen strenger Formgebung und emotionaler Ent-Fesselung“ in den Mittelpunkt stellt (Meret Forster). Tatsächlich ist Widmanns Schaffen von einer Poesie durchzogen, die vollkommen frei von Zwängen die Nähe sucht zu Robert Schumann (Es war einmal, 2015) oder zu antiken Mythen (Insel der Sirenen, Ikarische Klage und Teiresias, 1997–2009), sich mit verschiedentlichen Anspielungen selbst im musikgeschichtlichen Kontinuum verankert und mit ihren unterschiedlichen Klangdichten neue Formen von Räumlichkeit erschafft (Implosion für Orchester, 2001).

Diesem auf weite Sicht reflektierenden Komponieren entstammen auch die aktuell vorliegenden zweimal fünf Streichquartette. Sie entstanden zunächst als jeweils separat zu spielende Einzelwerke, bilden aber bei all ihren charakteristischen Eigentümlichkeiten jeweils gemeinsam eine Fünfer-Folge mit übergeordneter zyklischer Struktur. (Das heutige Konzert bildet den Auftakt zu einer Aufführung der Quartette 6 bis 10 durch unterschiedliche Ensembles in dieser und der kommenden Spielzeit.) Jörg Widmann selbst beschreibt dies so: „Meine zwischen 1997 und 2005 entstandenen Streichquartette sind vom (für mich) quasi evolutionären 1. bis zum mit Versuch über die Fuge betitelten 5. Quartett als ein in sich zusammenhängender und in sich geschlossener Zyklus konzipiert. Das 14 Jahre nach dem 5. entstandene 6. Quartett nun – Studie über Beethoven – ist als ein Neu-Ansetzen zu verstehen und eröffnet einen neuen Quartettzyklus mit ungewissem Ausgang. Fest steht nur, dass in den folgenden Quartetten eine intensive Auseinandersetzung mit der einzigartigen, großen Quartettkunst Ludwig van Beethovens stattfinden wird. Bis auf meine Konzertouvertüre Con brio hatte ich bei aller schon frühen Verehrung für Beethoven im eigenen Schaffen bisher einen großen Bogen um diesen unnahbaren Kosmos gemacht.“

Widmanns 2019 entstandenes Streichquartett Nr. 6 ist einsätzig angelegt, allerdings in zahlreiche Abschnitte mit Tempowechseln und Veränderungen der Dichte und des Ausdrucks unterteilt. Von einem mächtigen Coup d’archet auf Es-Dur ausgehend und gelegentlich zu ihm als neuerlichem Ausgangspunkt zurückkehrend, endet das Werk auf B. Dazwischen liegen unzählige Allusionen an Motive, Themen und satztechnische Konstellationen, die recht konkret auf einzelne Stellen aus Beethovens Quartetten verweisen, diese allerdings nicht zitieren, sondern unter dem Aspekt zentrifugaler oder auch zentripetaler tonaler Entwicklungen weiterdenken, transformieren und in neue Beziehungen untereinander treten lassen. „In diesem 6. Quartett gehe ich von einer – wenngleich stark erweiterten und in ihren Fliehkräften bisweilen kaum mehr zusammen zu haltenden – Tonalität aus“, schreibt Widmann. „Ich möchte den der Tonalität innewohnenden Gravitationen nachspüren: Phänomenen wie Spannung/Entspannung, Vorhalt/Auflösung, Setzung und Abweichung. Nicht in einem nostalgisch-romantischen Sinne, dazu ist das Stück formal zu experimentell, zu unsentimental. Nein, im Sinne einer Studie, einer Versuchsanordnung wird die Tonalität beziehungsweise deren Grundannahmen erst einmal gesetzt. Um dann damit zu experimentieren, Varianten und Ausnahmen zu formulieren, mit dem Wunsch und in der festen Überzeugung, dass auch mit diesem vermeintlich verbrauchten Grundmaterial noch Neues, Un-Erhörtes gesagt werden kann. Gerade formal hat mich das Stück in dem Verlauf, den es sich gesucht hat, immer wieder überrascht und an unbekannte Orte geführt.“


Prof. Dr. Michael Kube ist Mitglied der Editionsleitung der Neuen Schubert-Ausgabe, Herausgeber zahlreicher Urtext-Ausgaben und Mitarbeiter des auf klassische Musik spezialisierten Berliner Streaming-Dienstes Idagio. Seit 2015 konzipiert er die Familienkonzerte der Dresdner Philharmonie. Er ist Juror beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik und lehrt an der Musikhochschule Stuttgart sowie an der Universität Würzburg.

 

Variationen über ein Thema
Streichquartette von Haydn, Hensel und Widmann

Michael Kube


„…alle diese schöne Musicalische Abende“
Joseph Haydn: Streichquartett Es-Dur op. 64 Nr. 6

Joseph Haydns sechs Streichquartette op. 64 entstanden Mitte 1790 auf Schloss Eszterháza, wo der Komponist als Hofkapellmeister einen letzten Sommer verbrachte: Am 28. September des Jahres stirbt Fürst Nikolaus Esterházy; dessen Nachfolger Anton löst nach nur wenigen Tagen im Amt angesichts der desaströsen Haushaltslage die gesamte Kapelle wie auch die Operntruppe auf. Haydn hingegen bleibt aus Gründen des Renommees besoldet im Amt, wird aber von seinen Pflichten befreit. Doch schon zuvor war Haydn nach vielen Jahren offenbar seines Dienstes überdrüssig, wie aus einem ungewöhnlich offen formulierten Brief vom 9. Februar 1790 an Marianne von Genzinger hervorgeht: „Nun – da siz ich in meiner Einöde – verlassen – wie ein armer waiß – fast ohne menschlicher Gesellschaft – traurig – voll der Erinnerung vergangener Edlen tage – ja leyder vergangen – und wer weis, wann diese angenehme tage wieder komen werden? diese schöne gesellschaften? wo ein ganzer Kreiß Ein herz, Eine Seele ist – alle diese schöne Musicalische Abende – welche sich nur dencken, und nicht beschreiben lassen – wo sind alle diese begeisterungen? – weg sind Sie  – und auf lange sind sie weg.“ 

Diesen Umständen, wie dem Bedürfnis nach neuen Herausforderungen, ist es wohl zu verdanken, dass Haydn bereits kurze Zeit nach seiner Rückkehr nach Wien einen Vertrag mit dem Londoner Impresario Johann Peter Salomon unterzeichnete. Noch im Dezember trat er die erste seiner beiden Englandreisen an und setzte am Neujahrstag 1791 von Calais nach Dover über. In London, das bereits Ende des 18. Jahrhunderts ein voll entwickeltes öffentliches Musikleben besaß, gelangten in den Salomon Concerts aber nicht nur Symphonien, sondern auch drei der Streichquartette op. 64 zur Aufführung. Mit dieser öffentlichen Präsentation verließ nun das als intime Kammermusik entstandene und in diesem Rahmen kompositorisch entwickelte Quartett seinen angestammten Ort und trat in einen vollkommen neuen Bereich ein. Auf dem Programm der Konzerte vom 18. März, 15. April und 6. Mai stand jeweils ein „New Quartetto“, bei dem Salomon als Primarius das Ensemble anführte. Für die Bedeutung dieser Aufführungen spricht auch der von der Londoner Verlegerin Anne Bland zügig veröffentliche Druck, auf dessen Titelblatt vermerkt ist: „performed under his direction at Mr. Salomon’s Concert.“

Obwohl Haydn bei der Komposition der Sammlung nicht explizit auf die Anforderungen einer öffentlichen Aufführung Rücksicht nahm (Bland hatte ihn zwar 1789 in Eszterháza aufgesucht, der Londoner Kontrakt lag aber noch nicht vor), scheint er bei der Anlage der Sätze doch nicht allein an eine Kammer, also einen musikalischen Salon gedacht haben, sondern an eine Präsentation vor einem größeren Publikum – einem Publikum, das nicht nur aus Kennern und Liebhabern besteht, sondern auch andere, heterogene Voraussetzungen und musikalische Erfahrungen mitbringt. Diese neue Tendenz innerhalb der Gattung Streichquartett spiegelt sich sowohl in der Disposition der Werke wie auch in der Thematik und satztechnischen Ausarbeitung: Haydn bevorzugt etwa gleichermaßen weite Dimensionen wie einfache Formen mit einer teils konzertanten, teils gelehrt-kontrapunktischen, mal dicht gedrängten, mal locker gefügten Faktur – und bildet damit eine nach außen hin schlichte, nach innen jedoch subtile Satzkunst aus, die gleichsam jedem musikalischen Geschmack etwas zu bieten hat. 


„Mein Lieblingsstück ist das Scherzo…“
Fanny Hensel: Streichquartett Es-Dur

Es mag die Vielseitigkeit der Gattung, aber auch der mit ihr von Anfang an verbundene kompositorische Anspruch sein, der Carl Maria von Weber im Jahre 1818 in bis heute gültiger Weise die Faktur eines Streichquartetts als offengelegtes ideales Gerüst definieren ließ: „Das rein Vierstimmige ist das Nackende in der Tonkunst.“ Schon 1793 hieß es bei Heinrich Christoph Koch im Versuch einer Anleitung zur Composition, dass das „Quatuor eine der allerschweresten Arten der Tonstücke ist, woran sich nur der völlig ausgebildete, und durch viele Ausarbeitungen erfahrene Tonsetzer wagen darf.“ Nach Haydn und Mozart, deren Werke zu diesem Zeitpunkt bereits als Muster galten, wurde durch Ludwig van Beethoven die Gattung auf eine weitere Stufe gehoben – insbesondere durch seine späten Streichquartette, deren Anlage und Ausdruck vielen seiner Zeitgenossen rätselhaft blieben, damit aber bis ins 20. und 21. Jahrhundert nachwirkten. Da in den 1820er Jahren mit den neuen Kompositionen die spieltechnischen und gestalterischen Anforderungen stiegen, suchten Liebhaber:innen der Gattung auch Orientierung in mustergültigen öffentlichen Quartettaufführungen (in Wien etwa bei denen von Ignaz Schuppanzigh und seiner Quartettgesellschaft), oft mit der gerade in Mode gekommenen Taschenpartitur in der Hand, um den mitunter komplexen Satzverlauf zu verfolgen.

Für die 1820er und 30er Jahre war demnach eine recht vielfältige Produktion neuer Streichquartette zu verzeichnen, zumal sich eine jüngere Generation von Komponist:innen nicht allein dem Vorbild Beethovens, sondern auch dem aufkommenden romantischen Tonfall verpflichtet fühlte. Zu ihnen zählen – mit ganz eigenen stilistischen Wegen und Ausrichtungen – Georges Onslow, Franz Schubert und Felix Mendelssohn Bartholdy. Das 1834 entstandene Streichquartett Es-Dur von Fanny Hensel, der um vier Jahre älteren Schwester Mendelssohns, blieb hingegen singulär in ihrem Schaffen. Wie der Bruder hochkarätig auf dem Klavier und in der Komposition ausgebildet, trat sie, den gesellschaftlichen Vorgaben der Zeit gehorchend, freilich nicht einmal als Pianistin an die Öffentlichkeit, sondern leitete die 14-tägigen Sonntagsmusiken im Elternhaus, studierte Opern für dortige private Aufführungen ein und dirigierte einige Male in kleines Orchester.

Kompositorisch stellte sie sich unter die beratende Obhut ihres Bruders. Erst spät, nur wenige Monate vor ihrem plötzlichen Tod im Alter von 41 Jahren, fasste sie den Entschluss, eine Reihe von Liedern und Klavierstücken zu veröffentlichen, postum erschien darüber hinaus noch ein Klaviertrio aus dem Jahre 1847. Das Streichquartett dagegen wurde erst 1988 und somit mehr als 150 Jahre nach seiner Fertigstellung gedruckt. Musikalisch geht die Partitur auf ältere Skizzen sowie eine aus dem Jahr 1829 stammende unvollendete Klaviersonate zurück, und doch ist sie ganz für die Streicherbesetzung ausgearbeitet. Felix zeigte sich vor allem von den beiden Binnensätzen angetan („Mein Lieblingsstück ist das Scherzo nach wie vor, doch gefällt mir auch sehr das Thema der Romanze“), äußerte aber – auch mit Blick auf eigene frühere Werke – Bedenken gegenüber manchen Modulationen. Fanny wiederum erinnerte an Beethoven und den mit seinen späten Werken verbundenen Ausdruckscharakter: „Ich habe nachgedacht, wie ich, eigentlich gar nicht excentrische oder hypersensible Person zu der weichlichen Schreibart komme? Ich glaube es kommt daher, dass wir grade mit Beethovens letzter Zeit jung waren, und dessen Art und Weise wie billig [natürlicherweise], sehr in uns aufgenommen haben. Sie ist doch gar zu rührend und eindringlich.“


„…einen neuen Quartettzyklus mit ungewissem Ausgang“
Jörg Widmann: Studie über Beethoven (6. Streichquartett)

Er gilt als einer der führenden Komponisten seiner Generation, und doch ist Jörg Widmann auch weiterhin auf der Klarinette als Kammermusiker und Solist (und in jüngerer Zeit auch als Dirigent) tätig. Diese professionelle Verbindung hat zahlreiche Werke hervorgebracht, eigene wie auch ihm gewidmete, vor allem aber eine schöpferische Ästhetik, die sich nicht nur gegenüber strukturalistischen Tendenzen abgrenzt, sondern auch das „individuelle Wechselspiel zwischen strenger Formgebung und emotionaler Ent-Fesselung“ in den Mittelpunkt stellt (Meret Forster). Tatsächlich ist Widmanns Schaffen von einer Poesie durchzogen, die vollkommen frei von Zwängen die Nähe sucht zu Robert Schumann (Es war einmal, 2015) oder zu antiken Mythen (Insel der Sirenen, Ikarische Klage und Teiresias, 1997–2009), sich mit verschiedentlichen Anspielungen selbst im musikgeschichtlichen Kontinuum verankert und mit ihren unterschiedlichen Klangdichten neue Formen von Räumlichkeit erschafft (Implosion für Orchester, 2001).

Diesem auf weite Sicht reflektierenden Komponieren entstammen auch die aktuell vorliegenden zweimal fünf Streichquartette. Sie entstanden zunächst als jeweils separat zu spielende Einzelwerke, bilden aber bei all ihren charakteristischen Eigentümlichkeiten jeweils gemeinsam eine Fünfer-Folge mit übergeordneter zyklischer Struktur. (Das heutige Konzert bildet den Auftakt zu einer Aufführung der Quartette 6 bis 10 durch unterschiedliche Ensembles in dieser und der kommenden Spielzeit.) Jörg Widmann selbst beschreibt dies so: „Meine zwischen 1997 und 2005 entstandenen Streichquartette sind vom (für mich) quasi evolutionären 1. bis zum mit Versuch über die Fuge betitelten 5. Quartett als ein in sich zusammenhängender und in sich geschlossener Zyklus konzipiert. Das 14 Jahre nach dem 5. entstandene 6. Quartett nun – Studie über Beethoven – ist als ein Neu-Ansetzen zu verstehen und eröffnet einen neuen Quartettzyklus mit ungewissem Ausgang. Fest steht nur, dass in den folgenden Quartetten eine intensive Auseinandersetzung mit der einzigartigen, großen Quartettkunst Ludwig van Beethovens stattfinden wird. Bis auf meine Konzertouvertüre Con brio hatte ich bei aller schon frühen Verehrung für Beethoven im eigenen Schaffen bisher einen großen Bogen um diesen unnahbaren Kosmos gemacht.“

Widmanns 2019 entstandenes Streichquartett Nr. 6 ist einsätzig angelegt, allerdings in zahlreiche Abschnitte mit Tempowechseln und Veränderungen der Dichte und des Ausdrucks unterteilt. Von einem mächtigen Coup d’archet auf Es-Dur ausgehend und gelegentlich zu ihm als neuerlichem Ausgangspunkt zurückkehrend, endet das Werk auf B. Dazwischen liegen unzählige Allusionen an Motive, Themen und satztechnische Konstellationen, die recht konkret auf einzelne Stellen aus Beethovens Quartetten verweisen, diese allerdings nicht zitieren, sondern unter dem Aspekt zentrifugaler oder auch zentripetaler tonaler Entwicklungen weiterdenken, transformieren und in neue Beziehungen untereinander treten lassen. „In diesem 6. Quartett gehe ich von einer – wenngleich stark erweiterten und in ihren Fliehkräften bisweilen kaum mehr zusammen zu haltenden – Tonalität aus“, schreibt Widmann. „Ich möchte den der Tonalität innewohnenden Gravitationen nachspüren: Phänomenen wie Spannung/Entspannung, Vorhalt/Auflösung, Setzung und Abweichung. Nicht in einem nostalgisch-romantischen Sinne, dazu ist das Stück formal zu experimentell, zu unsentimental. Nein, im Sinne einer Studie, einer Versuchsanordnung wird die Tonalität beziehungsweise deren Grundannahmen erst einmal gesetzt. Um dann damit zu experimentieren, Varianten und Ausnahmen zu formulieren, mit dem Wunsch und in der festen Überzeugung, dass auch mit diesem vermeintlich verbrauchten Grundmaterial noch Neues, Un-Erhörtes gesagt werden kann. Gerade formal hat mich das Stück in dem Verlauf, den es sich gesucht hat, immer wieder überrascht und an unbekannte Orte geführt.“


Prof. Dr. Michael Kube ist Mitglied der Editionsleitung der Neuen Schubert-Ausgabe, Herausgeber zahlreicher Urtext-Ausgaben und Mitarbeiter des auf klassische Musik spezialisierten Berliner Streaming-Dienstes Idagio. Seit 2015 konzipiert er die Familienkonzerte der Dresdner Philharmonie. Er ist Juror beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik und lehrt an der Musikhochschule Stuttgart sowie an der Universität Würzburg.

 

Das Autograph von Haydns Es-Dur-Quartett Hob. III:64

With his Sixth String Quartet Study on Beethoven, Jörg Widmann has embarked on an exploration of the composer’s “consummate artistry in quartet composition”—an artistry that built on the example of Beethoven’s greatest predecessor Joseph Haydn and influenced generations of musicians after him, including Fanny Hensel. 

Essay by Richard Bratby

A Trio of Quartets
Works by Haydn, Hensel, and Widmann

Richard Bratby


Prince Nikolaus Esterházy, head of the famous Hungarian family, was a great lover of music. Having inherited a kapellmeister of the stature of Joseph Haydn upon the death of his elder brother and predecessor, he proceeded to fill his household orchestra with players like the violinist Johann Tost. Between 1783 and 1788, Tost led the second violins in the Esterházy court orchestra. Thereafter he dabbled in music publishing in Paris before returning to Austria to become a cloth manufacturer. But he never gave up his violin, and as one of Vienna’s leading amateur musicians, he was responsible for an impressive series of commissions—including Mozart’s final string quintets and (much later) Spohr’s Nonet. That line had started in 1788, in Tost’s final months at Eszterháza, where he received the dedication of Haydn’s String Quartets Opp. 54 and 55. The Op. 64 set, also written for Tost, was completed at the end of 1790; these pieces were subsequently published by the fledgling Magazin de Musique of Vienna.

The date is significant. In September 1790, Prince Nikolaus—Haydn’s employer for 28 years—had died. The new Prince Anton gave Haydn a generous pension and released him from all but the lightest of his duties. Haydn took immediate advantage of his new freedom, and in 1791 he took his new quartets to London, where their reception by a large and enthusiastic public transformed his whole approach to the form. Haydn’s subsequent quartets are products of his London experience: works that assume an audience.

The Op. 64 Quartets are no less rich or radical, but they are still domestic music—the argument is freer, the scale more intimate. Haydn was intensely familiar with Tost’s playing (when Tost tried out “his” Mozart quintets, Haydn and Mozart alternated on first and second viola), and it shows. Haydn understood what worked, and what his fellow musicians would enjoy. The six quartets of Op. 64 are irresistibly engaging and intensely satisfying to play.

Coming after the daringly clear textures and glittering virtuosity of Op. 64 No. 5 (the so-called “Lark” Quartet), the opening of No. 6 presents a particularly luminous contrast: a spacious violin melody supported by the other players with warm chords. As ever with Haydn, though, an outwardly simple idea contains multitudes, and the dotted rhythm of the melody’s courteous final flourish becomes the motor of a far-ranging sonata movement. The Andante, too, seems to unfurl upwards from sun-blessed earth. The whole ensemble nurtures its tender, upward-curving melodies—which prove robust enough to withstand a short, sharp outburst of virtuoso passion before the movement winds down to a twilit close.

The feisty minuet (a scherzo in spirit) might be a tribute to Tost’s Hungarian roots, with the central trio (and its coquettish little slides for the first violin) a possible allusion to the two men’s new adventures in fashionable Vienna. The finale releases any remaining tension in a sonata rondo as ingenious as it is idiomatic. Whether challenging his players, entertaining his audiences, or throwing a cue to future generations of chamber music composers, Haydn remains the consummate master of the string quartet medium.


An Entirely Individual Work

“I have taken a great liking to Mme Hensel” wrote Clara Schumann, shortly after meeting Fanny Hensel in Berlin early in 1847. “Her conversation is always interesting; only one has to accustom oneself to her rather brusque manner”. Fanny Hensel was born in Hamburg as Fanny Mendelssohn Bartholdy, daughter of a highly cultured and intensely artistic family that traced its descent from the German-Jewish philosopher Moses Mendelssohn. The young Mendelssohns grew up surrounded by chamber music—Felix was the violinist, younger brother Paul was the cellist, and Fanny was both a pianist and a composer from her early youth.

Paul pursued a career in finance, but Felix and Fanny both went on to be composers, with Felix initially publishing several of Fanny’s songs under his own name. It was not felt respectable that a woman of marriageable age should appear in print. But when Fanny married the painter Wilhelm Hensel in 1829, he was warmly supportive of her composing. She traveled extensively in Europe, meeting fellow artists including Clara Schumann and Charles Gounod, and from 1846 began to publish her songs and piano music—although only a fraction of her 450-plus compositions reached the public before her sudden and untimely death in 1847.

Fanny’s only completed string quartet originated as a revision of a piano sonata that she had sketched shortly before her wedding, almost certainly with a view to performance at one of the family’s regular domestic concerts. The Mendelssohn family home on Berlin’s Leipziger Strasse was large enough for the newlywed Hensels to be given an entire wing of their own, in which Fanny hosted regular semi-private concerts for Berlin’s musical cognoscenti. Often, these occasions involved two pianos and classics by Beethoven, Bach, and Mozart, but every now and then a small orchestra was assembled with Fanny directing. “Mother will have told you how I stood up there with a baton in my hand like Jupiter the Thunderer,” she wrote to Felix.

Emboldened by these experiences, she returned to her piano sonata sketches and completed her String Quartet between August 26 and October 23, 1834. Fanny had been immersing herself in Beethoven, and some listeners have heard the sighing motif that opens the Quartet as an echo both of Beethoven’s Quartet Op. 74 and of Felix’s Calm Sea and Prosperous Voyage, itself a homage to Beethoven. But Fanny’s approach is entirely individual: a lyrical, questioning first movement finds its release in a rhythmically driven C-minor scherzo, prefiguring the way the richly harmonized, bittersweet Romanze yields to a brilliant, bustling finale, exuberantly written for all four instruments. It is wholly original, and Felix reacted with surprise when she showed him the score in January 1835: he worried that Fanny’s freedom with classical form might lead the piece to sound “undefined.” “Though” he added, “I do not know if I could have done any better.”


A Study on Beethoven

Born in Munich, the city of Richard Strauss, Jörg Widmann studied with Wolfgang Rihm and Hans Werner Henze before making his name as a brilliant virtuoso clarinetist. The names of his own compositions are loaded with significance, including orchestral pieces called Chor (Chorus), Messe (Mass), and Lied (Song), as well as the Beethoven-inspired concert overture Con brio, one of the most frequently performed orchestral works of the 21st century. In the large-scale opera Babylon (2012) and the oratorio ARCHE (2017) Widmann opened his cultural critique onto an even wider canvas. Meanwhile a cycle of five string quartets, written between 1997 and 2005, with titles like Choralquartett (Chorale Quartet) and Jagdquartett (Hunting Quartet) echoed Mozart, Schumann, and Bach while hinting—like the artworks of Widmann’s hero Anselm Kiefer—that for a German artist, history can never feel like entirely solid ground.

With his String Quartet No. 6, Widmann in 2019 began a new cycle of quartets—one that engages directly with the single most inspiring (and overpowering) figure in the history of both the medium, and German art itself. In his own words:

“My string quartets composed between 1997 and 2005 were conceived as an interconnected, self-contained cycle of works ranging from the (in my opinion) quasi-revolutionary First Quartet to the Fifth Quartet entitled Versuch über die Fuge [Attempt at a Fugue]. The Sixth Quartet (Study on Beethoven)—composed 14 years after the Fifth—should be regarded as a new approach, and the beginning of a new quartet cycle with an unknown ending. All that can be said is that the subsequent quartets will be devoted to an intense study of Ludwig van Beethoven’s unique and consummate artistry in quartet composition. Despite a reverence for Beethoven from a very early age, with the exception of my concert overture Con brio my own compositions have steered well clear of this unapproachable cosmos.

“Perhaps the only link with the five quartets of the first cycle is the single-movement structure of the 30-minute Quartet No. 6. The fundamental coordinates have otherwise been reset to zero. This is therefore also a ‘study’ in a literal sense. In the Sixth Quartet, I set out with a state of tonality displaying significant extensions whose centrifugal forces are barely containable. My focus is the detection of the inherent gravitation of tonality, including phenomena such as tension/relaxation, suspension/resolution and fixation/deviation.

“From a formal aspect, the work is too experimental and unsentimental for explorations in a nostalgic-romantic sense. On the contrary, tonality (or at least its fundamental assumptions) are initially set down in the sense of a study or test assembly, in order to permit subsequent experimentation, variation, and the formulation of exceptions—with the desire (and firm conviction that it is possible) to express something innovative and never previously heard with this seemingly exhausted fundamental material.

“I have been repeatedly astonished by the unfolding in the progression of this piece, which has taken me to unknown locations—especially from a formal aspect. I am fascinated to see what forms the subsequent quartets in this ‘Beethoven study’ cycle will lead me to. The Sixth Quartet has been created in close artistic and friendly cooperation with Anne-Sophie Mutter and she is the dedicatee of this work.”


Richard Bratby lives in Lichfield, UK, and writes about music and opera for The Spectator, Gramophone, BBC Music Magazine, and The Critic. He is the author of Forward: 100 Years of the City of Birmingham Symphony Orchestra and Classical Music: An Illustrated History.

 

A Trio of Quartets
Works by Haydn, Hensel, and Widmann

Richard Bratby


Prince Nikolaus Esterházy, head of the famous Hungarian family, was a great lover of music. Having inherited a kapellmeister of the stature of Joseph Haydn upon the death of his elder brother and predecessor, he proceeded to fill his household orchestra with players like the violinist Johann Tost. Between 1783 and 1788, Tost led the second violins in the Esterházy court orchestra. Thereafter he dabbled in music publishing in Paris before returning to Austria to become a cloth manufacturer. But he never gave up his violin, and as one of Vienna’s leading amateur musicians, he was responsible for an impressive series of commissions—including Mozart’s final string quintets and (much later) Spohr’s Nonet. That line had started in 1788, in Tost’s final months at Eszterháza, where he received the dedication of Haydn’s String Quartets Opp. 54 and 55. The Op. 64 set, also written for Tost, was completed at the end of 1790; these pieces were subsequently published by the fledgling Magazin de Musique of Vienna.

The date is significant. In September 1790, Prince Nikolaus—Haydn’s employer for 28 years—had died. The new Prince Anton gave Haydn a generous pension and released him from all but the lightest of his duties. Haydn took immediate advantage of his new freedom, and in 1791 he took his new quartets to London, where their reception by a large and enthusiastic public transformed his whole approach to the form. Haydn’s subsequent quartets are products of his London experience: works that assume an audience.

The Op. 64 Quartets are no less rich or radical, but they are still domestic music—the argument is freer, the scale more intimate. Haydn was intensely familiar with Tost’s playing (when Tost tried out “his” Mozart quintets, Haydn and Mozart alternated on first and second viola), and it shows. Haydn understood what worked, and what his fellow musicians would enjoy. The six quartets of Op. 64 are irresistibly engaging and intensely satisfying to play.

Coming after the daringly clear textures and glittering virtuosity of Op. 64 No. 5 (the so-called “Lark” Quartet), the opening of No. 6 presents a particularly luminous contrast: a spacious violin melody supported by the other players with warm chords. As ever with Haydn, though, an outwardly simple idea contains multitudes, and the dotted rhythm of the melody’s courteous final flourish becomes the motor of a far-ranging sonata movement. The Andante, too, seems to unfurl upwards from sun-blessed earth. The whole ensemble nurtures its tender, upward-curving melodies—which prove robust enough to withstand a short, sharp outburst of virtuoso passion before the movement winds down to a twilit close.

The feisty minuet (a scherzo in spirit) might be a tribute to Tost’s Hungarian roots, with the central trio (and its coquettish little slides for the first violin) a possible allusion to the two men’s new adventures in fashionable Vienna. The finale releases any remaining tension in a sonata rondo as ingenious as it is idiomatic. Whether challenging his players, entertaining his audiences, or throwing a cue to future generations of chamber music composers, Haydn remains the consummate master of the string quartet medium.


An Entirely Individual Work

“I have taken a great liking to Mme Hensel” wrote Clara Schumann, shortly after meeting Fanny Hensel in Berlin early in 1847. “Her conversation is always interesting; only one has to accustom oneself to her rather brusque manner”. Fanny Hensel was born in Hamburg as Fanny Mendelssohn Bartholdy, daughter of a highly cultured and intensely artistic family that traced its descent from the German-Jewish philosopher Moses Mendelssohn. The young Mendelssohns grew up surrounded by chamber music—Felix was the violinist, younger brother Paul was the cellist, and Fanny was both a pianist and a composer from her early youth.

Paul pursued a career in finance, but Felix and Fanny both went on to be composers, with Felix initially publishing several of Fanny’s songs under his own name. It was not felt respectable that a woman of marriageable age should appear in print. But when Fanny married the painter Wilhelm Hensel in 1829, he was warmly supportive of her composing. She traveled extensively in Europe, meeting fellow artists including Clara Schumann and Charles Gounod, and from 1846 began to publish her songs and piano music—although only a fraction of her 450-plus compositions reached the public before her sudden and untimely death in 1847.

Fanny’s only completed string quartet originated as a revision of a piano sonata that she had sketched shortly before her wedding, almost certainly with a view to performance at one of the family’s regular domestic concerts. The Mendelssohn family home on Berlin’s Leipziger Strasse was large enough for the newlywed Hensels to be given an entire wing of their own, in which Fanny hosted regular semi-private concerts for Berlin’s musical cognoscenti. Often, these occasions involved two pianos and classics by Beethoven, Bach, and Mozart, but every now and then a small orchestra was assembled with Fanny directing. “Mother will have told you how I stood up there with a baton in my hand like Jupiter the Thunderer,” she wrote to Felix.

Emboldened by these experiences, she returned to her piano sonata sketches and completed her String Quartet between August 26 and October 23, 1834. Fanny had been immersing herself in Beethoven, and some listeners have heard the sighing motif that opens the Quartet as an echo both of Beethoven’s Quartet Op. 74 and of Felix’s Calm Sea and Prosperous Voyage, itself a homage to Beethoven. But Fanny’s approach is entirely individual: a lyrical, questioning first movement finds its release in a rhythmically driven C-minor scherzo, prefiguring the way the richly harmonized, bittersweet Romanze yields to a brilliant, bustling finale, exuberantly written for all four instruments. It is wholly original, and Felix reacted with surprise when she showed him the score in January 1835: he worried that Fanny’s freedom with classical form might lead the piece to sound “undefined.” “Though” he added, “I do not know if I could have done any better.”


A Study on Beethoven

Born in Munich, the city of Richard Strauss, Jörg Widmann studied with Wolfgang Rihm and Hans Werner Henze before making his name as a brilliant virtuoso clarinetist. The names of his own compositions are loaded with significance, including orchestral pieces called Chor (Chorus), Messe (Mass), and Lied (Song), as well as the Beethoven-inspired concert overture Con brio, one of the most frequently performed orchestral works of the 21st century. In the large-scale opera Babylon (2012) and the oratorio ARCHE (2017) Widmann opened his cultural critique onto an even wider canvas. Meanwhile a cycle of five string quartets, written between 1997 and 2005, with titles like Choralquartett (Chorale Quartet) and Jagdquartett (Hunting Quartet) echoed Mozart, Schumann, and Bach while hinting—like the artworks of Widmann’s hero Anselm Kiefer—that for a German artist, history can never feel like entirely solid ground.

With his String Quartet No. 6, Widmann in 2019 began a new cycle of quartets—one that engages directly with the single most inspiring (and overpowering) figure in the history of both the medium, and German art itself. In his own words:

“My string quartets composed between 1997 and 2005 were conceived as an interconnected, self-contained cycle of works ranging from the (in my opinion) quasi-revolutionary First Quartet to the Fifth Quartet entitled Versuch über die Fuge [Attempt at a Fugue]. The Sixth Quartet (Study on Beethoven)—composed 14 years after the Fifth—should be regarded as a new approach, and the beginning of a new quartet cycle with an unknown ending. All that can be said is that the subsequent quartets will be devoted to an intense study of Ludwig van Beethoven’s unique and consummate artistry in quartet composition. Despite a reverence for Beethoven from a very early age, with the exception of my concert overture Con brio my own compositions have steered well clear of this unapproachable cosmos.

“Perhaps the only link with the five quartets of the first cycle is the single-movement structure of the 30-minute Quartet No. 6. The fundamental coordinates have otherwise been reset to zero. This is therefore also a ‘study’ in a literal sense. In the Sixth Quartet, I set out with a state of tonality displaying significant extensions whose centrifugal forces are barely containable. My focus is the detection of the inherent gravitation of tonality, including phenomena such as tension/relaxation, suspension/resolution and fixation/deviation.

“From a formal aspect, the work is too experimental and unsentimental for explorations in a nostalgic-romantic sense. On the contrary, tonality (or at least its fundamental assumptions) are initially set down in the sense of a study or test assembly, in order to permit subsequent experimentation, variation, and the formulation of exceptions—with the desire (and firm conviction that it is possible) to express something innovative and never previously heard with this seemingly exhausted fundamental material.

“I have been repeatedly astonished by the unfolding in the progression of this piece, which has taken me to unknown locations—especially from a formal aspect. I am fascinated to see what forms the subsequent quartets in this ‘Beethoven study’ cycle will lead me to. The Sixth Quartet has been created in close artistic and friendly cooperation with Anne-Sophie Mutter and she is the dedicatee of this work.”


Richard Bratby lives in Lichfield, UK, and writes about music and opera for The Spectator, Gramophone, BBC Music Magazine, and The Critic. He is the author of Forward: 100 Years of the City of Birmingham Symphony Orchestra and Classical Music: An Illustrated History.

 

Das Ensemble


Heath Quartet

Das Heath Quartet wurde 2002 am Royal Northern College of Music in Manchester gegründet. Gefördert u.a. durch ein Stipendium des Borletti-Buitoni Trust, war das Quartett 2013 das erste Ensemble seit 15 Jahren, das mit dem Young Artists Award der Royal Philharmonic Society ausgezeichnet wurde. Daran schlossen sich Auftritte in vielen wichtigen Musikzentren weltweit an. Regelmäßig arbeitet das Heath Quartet dabei mit zeitgenössischen Komponist:innen wie Hans Abrahamsen, Helen Grime, Louis Andriessen, Brett Dean, Sofia Gubaidulina, Thomas Larcher und John Musto zusammen, dessen Another Place es gemeinsam mit der Sopranistin Carolyn Sampson in der Londoner Wigmore Hall zur Uraufführung brachte. Zu den musikalischen Partnern des Ensembles zählen außerdem Anna Caterina Antonacci, James Baillieu, Ian Bostridge, Adrian Brendel, Stephen Hough, Mark Padmore und das Tokyo Quartet. Das Heath Quartet hat eine Reihe hochgelobter Einspielungen vorgelegt, darunter sämtliche Streichquartette von Bartók und Sir Michael Tippett. Für letztere Aufnahme erhielten das Ensemble 2016 einen Gramophone Award. Das jüngste Album des Quartetts mit Sopranistin Carolyn Sampson enthält Werke der Zweiten Wiener Schule. Im Pierre Boulez Saal präsentierten die vier Musiker:innen bisher Werke von Britten, Ravel und Schönberg sowie die Streichquartette Nr. 1 bis 5 von Jörg Widmann.

Februar 2024

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