Kieran Carrel Tenor
Julius Drake Klavier
Bertie Carvel Rezitation
Programm
Ausgewählte Gedichte und Texte von
George Gordon, Lord Byron
Percy Bysshe Shelley
John Keats
in Vertonungen von
Felix Mendelssohn Bartholdy
Fanny Hensel
Robert Schumann
Charles Ives
Roger Quilter
Samuel Barber
Hugo Wolf
Charles Gounod
Germaine Tailleferre
Charles Villiers Stanford
Gioachino Rossini
Paul Hindemith
Samuel Coleridge-Taylor
Carl Loewe
Herbert Howells
Hubert Parry
Ausgewählte Gedichte und Texte von
George Gordon, Lord Byron (1788–1824)
Percy Bysshe Shelley (1792–1822)
John Keats (1795–1821)
John Keats
Sonnet to Byron
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847)
Schlafloser Augen Leuchte (1834)
Fanny Hensel (1805–1847)
There Be None of Beauty’s Daughters (1836)
Robert Schumann (1810–1856)
Aus den hebräischen Gesängen op. 25 Nr. 15 (1840)
Lord Byron
an seinen Verleger John Murray (15. Mai 1819)
Charles Ives (1874–1954)
Rough Wind (um 1902)
Edward John Trelawney
über den Tod Shelleys (1822)
Tennessee Williams
Auszug aus Camino Real (1953)
Roger Quilter (1877–1953)
Music, When Soft Voices Die op. 25 Nr. 5 (1926)
Percy Bysshe Shelley
A Fragment: To Music
Samuel Barber (1910–1981)
Music, When Soft Voices Die (um 1925)
Percy Bysshe Shelley
Auszug aus Ode to the West Wind
Robert Schumann
An den Mond op. 95 Nr. 2 (1849)
Lord Byron
She Walks in Beauty
Hugo Wolf (1860–1903)
Keine gleicht von allen Schönen (1896)
Charles Gounod (1818–1893)
Maid of Athens (1872)
John Keats
Ode on Melancholy
Germaine Tailleferre (1892–1983)
Remembrance
Charles Villiers Stanford (1852–1924)
La Belle Dame sans merci (1877)
Pause
Lord Byron
an den Dichter und Bankier Samuel Rogers (3. März 1818)
an den Politiker John Hobhouse (17. Mai 1819)
Gioachino Rossini (1792–1868)
La gita in gondola (Carlo Pepoli)
aus Les Soirées musicales (um 1830–35)
Percy Bysshe Shelley
An Ariette for Music
Paul Hindemith (1895–1963)
The Moon (1942)
John Keats
Auszug aus Endymion
Germaine Tailleferre
In Moments to Delight Devoted
Samuel Coleridge-Taylor (1875–1912)
Oh! My Lonely Pillow op. 12 Nr. 5
John Keats
To Autumn
Carl Loewe (1796–1869)
Die Sonne der Schlaflosen op. 13 Nr. 6 (1825)
An den Wassern zu Babel op. 4 Nr. 2 (1823)
Percy Bysshe Shelley
Ozymandias
Felix Mendelssohn Bartholdy
Keine von der Erde Schönen (1833)
Charles Ives
Like a Sick Eagle (1920)
Herbert Howells (1892–1983)
The Widow Bird op. 22 Nr. 3 (1915)
Hubert Parry (1848–1918)
Bright Star (1895–96)
Roger Quilter
Love’s Philosophy op. 3 Nr. 1 (1905)
Von links nach rechts: Lord Byron, Percy Bysshe Shelley und John Keats
Süßeste Lieder, traurigste Gedanken
In der zweiten Generation der literarischen Romantik Englands glänzte ein poetisches Dreigestirn von „jungen Wilden“: George Gordon, Lord Byron, Percy Bysshe Shelley und John Keats. Ihr früher Tod und ihre leidenschaftlichen Liebesaffären nährten den Mythos dieser drei Dichter als unangepasste Freigeister. Zwar entstanden ihre Werke nicht im gemeinsamen Schaffen, aber doch durch unsichtbare Fäden miteinander verwoben.
Werkeinführung von Kerstin Schüssler-Bach
Süßeste Lieder, traurigste Gedanken
Vertonungen von Byron, Shelley und Keats
Kerstin Schüssler-Bach
In der zweiten Generation der literarischen Romantik Englands glänzte ein poetisches Dreigestirn von „jungen Wilden“: George Gordon, Lord Byron (1788–1824), Percy Bysshe Shelley (1792–1822) und John Keats (1795–1821). Ihre Lebensdaten decken sich fast – alle drei starben früh, keiner in der Heimat. Byron verschied mit 36 Jahren als Freiheitskämpfer im griechischen Messolongi, Shelley ertrank mit 29 Jahren im ligurischen Meer, Keats fiel mit 25 Jahren in Rom der Tuberkulose zum Opfer. Ihr früher Tod und ihre leidenschaftlichen Liebesaffären nährten den Mythos dieser drei Dichter als unangepasste Freigeister. Shelley und Byron waren befreundet, seit sie sich 1816 erstmals trafen. Beide entstammten der Adelsschicht. Anders dagegen Keats: Der Sohn eines Londoner Stallmeisters wurde zunächst als „Cockney-Dichter“ verhöhnt. Ihm stand aber der bereits erfolgreiche Shelley als Förderer zur Seite. So entstanden ihre Werke zwar nicht im gemeinsamen Schaffen, aber doch durch unsichtbare Fäden miteinander verwoben.
Von diesen dreien erntete Lord Byron den größten internationalen Ruhm. Goethe setzte dem exzentrischen Rebellen ein Denkmal mit der Figur des Euphorion im zweiten Teil des Faust. „Er ist ein großes Talent, ein geborenes, und die eigentlich poetische Kraft ist mir bei niemand größer vorgekommen als bei ihm“, rühmte ihn der Geheimrat. Doch Byrons „ins Unbegrenzte strebende Naturell“ ging nach Goethes Auffassung „an seiner Zügellosigkeit zugrunde“. Gerade diese Maßlosigkeit, gepaart mit Weltschmerz, prädestinierte Byron zur Identifikationsfigur. Und auch die kompositorische Fantasie entzündete sich an seinen Schlüsselwerken der Schwarzen Romantik wie Childe Harold’s Pilgrimage und Manfred. Geister und finstere Mächte umschweben Byrons labile Helden. Das Lesedrama Manfred zählte zu Robert Schumanns bevorzugter Lektüre, der er schließlich eine Schauspielmusik widmete. Dem melancholischen, in der Natur Erlösung suchenden Titelhelden fühlte sich der Komponist wohl wesensverwandt. Doch auch Byrons Gedichte zogen ihn an.
Mit majestätischer Wildheit
Im dritten Heft seiner Liedsammlung Myrthen op. 25 fasste Schumann ausschließlich englische Dichter zusammen. Der Titel Aus den hebräischen Gesängen bezieht sich auf Byrons 30 Gedichte umfassende Sammlung Hebrew Melodies, die 1814/15 für ein Projekt des jüdischen Komponisten Isaac Nathan entstand. Lieder von Minderheitenkulturen erfreuten sich damals besonderer Beliebtheit, und es erschienen zahlreiche Sammlungen mit schottischen, walisischen, indischen oder irischen Melodien. Auch Nathans und Byrons Buch wurde als Anthologie vorgeblich uralter zeremonieller Gesänge ein Verkaufserfolg. Schumann wählte daraus My Soul Is Dark in der Übersetzung von Karl Julius Körner. Dessen Übertragung von „Lord Byron’s Poesien“ war 1821 in Zwickau im Verlag von Robert Schumanns Vater August erschienen. An My Soul Is Dark erinnerte sich Nathan nicht ohne Dramatik: „Es war allgemein bekannt, dass Lord Byrons angebliche Eigenarten manchmal an Geisteskrankheit grenzten, und zu einer Zeit wurde sogar allgemein behauptet, dass sein Verstand tatsächlich beeinträchtigt sei. Diese Behauptung amüsierte Seine Lordschaft nur. Er erklärte, er wolle ausprobieren, wie ein Verrückter schreiben könne; eifrig griff er zur Feder und starrte einen Moment lang mit majestätischer Wildheit ins Leere; dann, wie von einer Eingebung getroffen, ohne ein einziges Wort zu streichen, entstanden die obenstehenden Verse.“ Byrons Gedicht zielt wohl ursprünglich auf Saul und David: Der „von einem bösen Geist“ heimgesuchte König wird durch Davids Harfenspiel aufgeheitert. In Schumanns ausgedehnter, betont langsamer Komposition von 1840 weitet sich der Gehalt ins Allgemeine – seelische Verletzungen werden durch die Kunst geheilt.
An den Mond, vertont 1849 in den Drei Gesängen op. 95, geht ebenfalls auf die Körner’sche Übersetzung der Hebrew Melodies zurück und trägt im Original den Titel Sun of the Sleepless. Der Himmelskörper wird hier als „melancholy star“ betrachtet, in sprachlicher und thematischer Vorwegnahme des Manfred.
Schwärmerische Oden
Felix Mendelssohn Bartholdy wählte 1833/34 für seine vier Jahre später veröffentlichten Zwei Romanzen ebenfalls Texte aus den Hebrew Melodies. Schlafloser Augen Leuchte ist dasselbe Gedicht, das Schumann unter dem Titel An den Mond vertonte, jedoch in anderer Übersetzung. Zu dieser Zeit war Mendelssohn bereits mehrfach in England gewesen; er sprach gut Englisch und bemühte sich deshalb, wie er im November 1834 an seine Schwester Rebecka Dirichlet berichtete, um eine eigene Textfassung: „Ich bin seitdem noch einmal auf dem Pegasus gesessen und habe Lord Byron’s Gedicht übersetzt. Das Gedicht ist sehr sentimental, und ich glaube, ich hätte es schon mehrere Male componirt, aber da fällt mir denn jedesmal ein, dass Dir und Fanny die Musik von Löwe [Carl Loewe] gefällt, und das bringt mich heraus und es wird nichts draus.“ Mendelssohns Keine von der Erde Schönen geht auf eines der bekanntesten, musikalischsten und meistvertonten Gedichte Byrons zurück: There Be None of Beauty’s Daughters, eine schwärmerische Ode an die weibliche Schönheit. Diesen Text vertonte auch Mendelssohns Schwester Fanny Hensel 1836 in einer schwungvoll-eleganten Version, allerdings im englischen Original.
Die Erwähnung des damals sehr beliebten „Balladenkönigs“ Carl Loewe in Mendelssohns Brief bezieht sich auf dessen Vertonung von Byrons Sun of the Sleepless, die 1825 als Die Sonne der Schlaflosen veröffentlicht wurde. Loewe, der jahrzehntelang als Kantor in Stettin wirkte, komponierte nicht weniger als vier Zyklen nach Byrons Hebräischen Gesängen. Für An den Wassern zu Babel verwendete er die Übersetzung von Friedrich Theremin, die Mendelssohn nicht sehr schätzte. Hugo Wolf, Vollender des spätromantischen Lieds, widmete sich im Dezember 1896 ebenfalls Sun of the Sleepless und There Be None of Beauty’s Daughters, hier in der Übersetzung von Otto Gildemeister. Seine Version des letzteren Gedichts – als Keine gleicht von allen Schönen – spürt in harmonischer Verzauberung zwischen Schwelgerei und Stille allen Nuancen des Textes nach. Dämonie und Melancholie Byrons Hang zu inneren und äußeren Dämonen beeinflusste auch die französischen Romantiker und schließlich die „décadents“. Wie vor ihm Hector Berlioz (dessen Harold en Italie auf Childe Harold’s Pilgrimage zurückgeht) erlag Charles Gounod dem Byron-Fieber. Maid of Athens ist mit seiner geschmeidigen Melodie, sehnsuchtsvollem Liebesrefrain und sanfter, wie eine musikalische Perlenschnur anmutender Begleitung ein wunderbares Beispiel für die lyrisch-sentimentale Erfindungsgabe des Komponisten. Die Entstehungsgeschichte des Liedes, das 1872 während seines langen Englandaufenthalts nach dem deutsch-französischen Krieg geschrieben wurde, ist spannend: Gounod widmete es einer Mrs. Black, „Byrons ursprünglicher Maid of Athens“. Dahinter verbirgt sich Teresa Makri, in die sich Byron 1810 auf seiner Grand Tour in Griechenland verliebte, bevor er das 13-jährige Mädchen in Maid of Athens unsterblich machte. Scharen von englischen Touristen pilgerten daraufhin in ihr Haus. Teresa Makri, verheiratete Black, starb 1875 im Alter von 78 Jahren in Armut. Drei Jahre vor ihrem Tod veröffentlichte die Londoner Times einen Spendenaufruf. Gounod vertonte Byrons Gedicht und stiftete die Einnahmen aus seiner Komposition. Germaine Tailleferre, einziges weibliches Mitglied der Groupe des Six um Milhaud und Poulenc, begleitete die Sopranistin Anita Réal am Klavier, als ihre beiden einzigen Byron-Vertonungen 1934 in Paris erstmals erklangen – klare, unsentimentale Miniaturen. Byron formte In Moments to Delight Devoted nach einem portugiesischen Vorbild; Remembrance erschien in seiner ersten Gedichtsammlung Hours of Idleness. Zu Oh! My Lonely Pillow ließ sich Byron von einer hinduistischen Melodie inspirieren. Dieser außereuropäische Aspekt faszinierte vielleicht auch Samuel Coleridge-Taylor, einer der ersten Komponisten mit afrikanischen Wurzeln (sein Vater stamme aus Sierra Leone), die sich international etablierten. Der gebürtige Londoner nahm das Lied in seine 1896 veröffentlichte Sammlung Southern Love Songs auf. Das während seines Studiums bei Charles Villiers Stanford entstandene Lied klingt zuerst eher nach Brahms, wendet sich dann aber ins Melancholisch-Volksliedhafte und findet so für Byrons Ankerpunkte eine stimmige eigenständige Atmosphäre.
Poet und Prophet
„Unsere süßesten Lieder sind jene, die von den traurigsten Gedanken singen“ – Percy Bysshe Shelley sah Schönheit und Schmerz als untrennbare Einheit. In ihm glühte jedoch auch ein revolutionärer Funke, ein Bewusstsein für die sozialen Missstände seiner Zeit. Als politischer Idealist, als Poet und Prophet suchte er die Öffentlichkeit. Music, When Soft Voices Die, geschrieben ein Jahr vor Shelleys frühem Tod, wurde postum veröffentlicht in einer Anthologie, die seine Witwe, die Frankenstein-Autorin Mary Wollstonecraft Shelley herausgab. Vergänglichkeit und Erinnerung sind das Thema des Gedichts, doch der erste Vers prädestiniert es geradezu für eine Musikalisierung. So gehört es auch zu den meistvertonten Gedichten Shelleys.
Samuel Barber, der amerikanische Komponist mit einer besonderen Vorliebe für die menschliche Stimme, kleidete die Verse in eine ruhige Melodie, unterlegt mit akkordischer Begleitung. (Das Lied, ein Werk des 15-Jährigen, wurde zu Barbers Lebzeiten nicht veröffentlicht.) Dasselbe Gedicht vertonte in traumverhangener Manier auch Roger Quilter. Noch bekannter ist dessen Love’s Philosophy. Shelleys posthum erschienenes Gedicht fordert den Kuss kühn ein, Quilter malt die Liebeshoffnung in sanfteren Farben mit einer grazilen Melodie, die mit leichtem Schritt über einer bewegten Klavierbegleitung federt und sich zum Ende hin rauschhaft steigert.
Auch das „enfant terrible“ der amerikanischen Musik, Charles Ives, widmete sich in seinem umfangreichen Liedschaffen Shelleys Versen. In Rough Wind verwendete er das Hauptthema seiner Ersten Symphonie, um das Stürmen und Wüten der Natur in einer dramatisch aufgewühlten Szene wiederzugeben. Shelley schrieb dieses grimmige Gedicht mit dem Titel A Dirge (Ein Klagelied) unter dem Eindruck des Todes von John Keats. Der Mond in Personifikation einer bleichen, ruhelosen und einsamen Frau erscheint in Shelleys To the Moon. Paul Hindemith setzte es 1942 in Musik als Teil seiner Nine English Songs, die Unruhe des Subjekts mit rastlosen Sechzehnteln unterstreichend. Aus Nazi-Deutschland vertrieben, widmete sich Hindemith in den Kriegsjahren bewusst englischer und französischer Lyrik. Um Verlust und Isolation geht es auch in The Widow Bird, ursprünglich ein Teil von Shelleys Dramenfragment Charles I. Die Klage des traurigen Vogels vertonte 1915 der Engländer Herbert Howells, der sonst vor allem für seine Kirchenmusik bekannt ist, in einem Lied, dessen Begleitung das Klappern der Mühlenradflügel („the mill-wheel’s sound“) in eine nervöse Bewegung übersetzt.
Ekstatischer Träumer
John Keats, der ekstatischste Träumer unter den drei romantischen Dichtern, hat in seiner Ballade La Belle Dame sans merci von 1819 den Prototyp der Femme fatale gezeichnet, wie ihn später die Symbolisten und Präraffaeliten ausschmückten. Wie Tannhäuser in den Venusberg gezogen wird, so verfällt Keats’ Ritter der todbringenden feenhaften „mitleidlosen Schönen“. Der Ire Charles Villiers Stanford, Protagonist des musikalischen Viktorianismus, vertonte die Schauerballade mit illustrativer Raffinesse. Die schlichte Melodie, zunächst im fahlen Unisono, wird variiert, lichtet sich bei der Begegnung mit dem Mädchen ins süße Dur, trabt mit dem Ritter und seinem Verhängnis davon, verirrt sich chromatisch in der Grotte, erhebt sich grausig mit den toten Freiern. Der erzählerische Atem erinnert an Carl Loewe, dessen Balladen Stanford während seines Studiums in Leipzig und Berlin sicher kennengelernt hatte. Nur die ersten Verse aus Keats’ On Seeing the Elgin Marbles vertonte Charles Ives unter dem Titel Like a Sick Eagle. Keats’ Reflexion der eigenen Sterblichkeit entsprang 1817 seiner Betrachtung der Parthenon-Statuen, die Lord Elgin elf Jahre zuvor aus Athen ins Britische Museum hatte verfrachten lassen. Keats’ Antiken-Gleichnis formte Ives zu einer quälerisch um sich selbst kreisenden Klage in müden chromatischen Schritten um, deren ursprüngliche instrumentale Fassung wohl in Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt seiner Frau Harmony entstand. Keats zog seine Inspiration aus einer großen, tragischen Liebe: Die innige Beziehung zu Fanny Brawne war durch seine Tuberkulose-Erkrankung vom Tod überschattet. Die Romanze des unglücklichen Paares war selbst Gegenstand künstlerischer Auseinandersetzung, etwa in Jane Campions Film Bright Star. Das titelgebende Sonett lässt sich von Keats’ Liebe zu Fanny nicht trennen. In seiner letzten Fassung übergab er es einem Freund in Rom wenige Wochen vor seinem Tod. Für seine zwölf Bände umfassende, sich über 40 Jahre erstreckende Sammlung von English Lyrics wählte Hubert Parry – bekannt vor allem als Komponist des patriotischen Lieds Jerusalem – je zwei Gedichte von Shelley und Byron, aber nur eines von Keats. Parrys Vertonung von Bright Star taucht die zwischen Ekstase und Entrückung schwankende Stimmung der liebes- und todeswunden Seele in eine milde Tönung. Wie es in der Nachdichtung von Stefan Zweig heißt: „Dies Lauschen rastlos leben, immer wieder, / Sonst nur den Traum, der mich zum Tode bettet.“
Dr. Kerstin Schüssler-Bach arbeitete als Opern- und Konzertdramaturgin in Köln, Essen und Hamburg und hatte Lehraufträge an der Musikhochschule Hamburg und der Universität Köln inne. Beim Musikverlag Boosey & Hawkes in Berlin ist sie als Vice President Composer Management tätig. Sie schreibt regelmäßig für die Berliner Philharmoniker, die Elbphilharmonie Hamburg, das Lucerne Festival und das Gewandhausorchester Leipzig. 2022 erschien ihre Monographie über die Dirigentin Simone Young.
William Turner, Rough Sea (um 1840-45)
Music, When Soft Voices Die
Tonight’s program celebrates three English poets: while Lord Byron, by far the most internationally famous in his lifetime, was the archetypal Romantic hero for thousands of Europeans and attracted a whole raft of composers from Carl Loewe onwards, his younger compatriots Percy Bysshe Shelley and John Keats only became acknowledged as major Romantic voices after their early death.
Essay by Richard Wigmore
Music, When Soft Voices Die
Songs on the Poetry of Byron, Shelley, and Keats
Richard Wigmore
Of the three English Romantic poets celebrated in tonight’s program, George Gordon, Lord Byron, was by far the most internationally famous in his lifetime and beyond. Goethe’s admiration further boosted his popularity in Germany. Free-spirited, contemptuous of social norms, Byron was the archetypal Romantic hero for thousands of Europeans, both for the mingled wildness and gloom of his poetry and for an exotic, often scandalous, life that culminated in his death from fever while fighting with the Greeks against the Ottomans. Byron’s verses, long banned in conservative, Catholic Austria, lent themselves far more readily to German translation than those of Shelley and Keats. His Hebrew Melodies, especially, attracted a whole raft of composers from Carl Loewe onwards. There Be None of Beauty’s Daughters alone inspired nearly 100 settings in English and German.
Jewish-born but baptized as children into the Lutheran church, the Mendelssohn siblings Felix and Fanny were hardly Byronic figures in temperament and musical outlook, à la Berlioz. Felix’s song aesthetic, prioritizing smoothly rounded melody, looked back to the 18th century. Of his two Byron settings from 1833–4, published posthumously, Keine von der Erde Schönen (There Be None of Beauty’s Daughters) has a characteristic mellifluous charm, while Schlafloser Augen Leuchte (Sun of the Sleepless) unfolds as an unquiet dialogue between voice and piano.
The songs of Fanny Hensel—totaling nearly 300—are now coming into their own, with the best of them easily rivalling those of her brother. In childhood, Fanny showed comparable precocity as composer and pianist. But while her father and brother acknowledged her talent, they deemed it “immodest” for a woman to publish music. (Felix did publish a few of her songs under his name, and in the last two years of her life Fanny finally had some of her works printed.) Fanny’s self-confidence as a composer grew after her marriage in 1829 to the liberalminded painter Wilhelm Hensel. Her three Byron songs of 1836–7, in English, reveal a striking lyrical gift. The swirling accompaniment of There Be None of Beauty’s Daughters also reminds us that Fanny was a formidable pianist.
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Literature was in Robert Schumann’s genes. His father August was not only a successful bookseller-publisher but a novelist and translator of Walter Scott and Byron. When Robert was nine, August brought out a complete edition (in English) of Byron’s poems, “as correct as if they had been printed in England, and at one sixth the price…” While no child prodigy, Robert inherited his father’s creative urge and his feeling for words. His literary heroes were Schiller, Jean Paul, and Byron, whose Childe Harold’s Pilgrimage and poem Beppo he read in August’s translations.
Aus den hebräischen Gesängen, to a poem from Byron’s Hebrew Melodies, might seem out of place in Schumann’s Myrthen, the “bridal bouquet” of songs he presented to Clara Wieck on the eve of their marriage in September 1840. But by then Clara would have had no illusions about the depressive side in Robert’s makeup. The poem expresses Saul’s longing to be cured of his melancholy by David’s harp; and it inspires music that veers between chromatically tortuous declamation (with hints of Bach at his most chromatically brooding) and consolatory song.
Schumann set three more poems from Hebrew Melodies in late 1849, when he was often ill and depressed. He headed each of the three songs from Op. 95 “Harfe oder Pianoforte” and used harp-like figuration to evoke the ancient Hebrew psaltery. The doleful An den Mond sets a different translation, by Karl Julius Körner, of Sun of the Sleepless from Mendelssohn’s Schlafloser Augen Leuchte.
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A fanatical Wagnerian and arch-loather of Brahms, Hugo Wolf set two Byron poems, in Otto Gildemeister’s translations, in the autumn and winter of 1896. Keine gleicht von allen Schönen (There Be None of Beauty’s Daughters) inspired Wolf to a drowsy nocturne in his most luxuriant, Tristanesque vein.
Born just two months before Schubert, Carl Loewe became celebrated throughout the German-speaking world as a singer of his own songs. The Viennese dubbed him “the north German Schubert,” and wherever he performed he was acclaimed both for his imposing presence and his fine baritone voice. Between 1823 and 1827, Loewe set no fewer than 23 poems from Byron’s Hebrew Melodies, an all-time record for German composers. With its declamatory vocal line against an obsessively tolling piano, Sonne der Schlaflosen (once again, Sun of the Sleepless) is more overtly dramatic than the settings by Mendelssohn and Schumann. The opening line of Byron’s poem An den Wassern zu Babel (We Sat Down and Wept), a paraphrase of Psalm 137, immediately suggested to Loewe the watery piano music that unifies the whole song.
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We cross the Rhine for three Byron songs by French composers, all sung in English. Rooted in the 18th-century romance, the French mélodie came into its own with the mellifluous songs of Charles Gounod. His setting of Byron’s bittersweet love poem Maid of Athens, written in 1872 during his protracted stay in London, is characteristic in its graceful, seductive lilt.
The only female member of the group of Gallic enfants terribles known as “Les Six,” Germaine Tailleferre summed up her musical philosophy thus: “I write music because it amuses me. It’s not great music, I know, but it’s gay, lighthearted music which is sometimes compared with the petits maîtres of the 18th century. And that makes me very proud.” You might hear a whiff of the blues, too, in Tailleferre’s languorous, sultry In Moments to Delight Devoted, subtitled by the poet “From the Portuguese ‘Tu mi chamas.’”
Tonight’s program includes a single Byron setting by one of the poet’s compatriots. Samuel Coleridge-Taylor was of mixed descent, his father a doctor from Sierra Leone, his mother an Englishwoman. He grew up in Croydon, entered the Royal College of Music as a violinist in 1890, and later studied composition with Charles Villiers Stanford. While still a student, he began to make his mark with his chamber works and songs. The latter include his plangent setting of Byron’s Oh! My Lonely Pillow (subtitled “Stanzas from a Hindoo Air”), published in 1896 as part of the collection Southern Love Songs.
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Drowned in a storm off Livorno aged 29, Byron’s friend and younger contemporary Percy Bysshe Shelley only became acknowledged as a major Romantic poet after his early death. While less adventurous than Byron’s, his troubled life was marked by recurrent family and amorous crises, discrimination on account of his radical political and religious views (he left Britain for permanent exile in Italy in 1818), and constant ill health.
Two of his best-loved poems are part of this evening’s Shelley selection. Samuel Barber—a child prodigy who at nine proclaimed, “I was meant to be a composer, and will be I am sure”—set the elegiac Music, When Soft Voices Die in his mid-teens, in a style somewhere between a hymn and a Romantic opera aria. Around the same time on the other side of the Atlantic, Roger Quilter wrote songs that represent a refinement of the Victorian ballad tradition, based on appealing melody and unobtrusively apt keyboard accompaniment. Shelley’s Anacreontic poem of desire Love’s Philosophy inspired him to a setting of mounting excitement, culminating in the lingering ecstasy of the final “What are all these kissings worth / If thou kiss not me?”.
Juggling composition with a successful career as an insurance executive, Connecticut-born Charles Ives was an even more prolific songwriter than his younger compatriot Barber. An inveterate reviser, Ives produced his definitive setting of Shelley’s stormscape Rough Wind around 1902. Above a chromatically seething piano, the tenor sings a defiant melody drawn from the opening of Ives’s First Symphony.
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After making his name as something of a musical firebrand, Paul Hindemith developed a less abrasive, more lyrical style from the mid-1920s onwards—which did not prevent his music being proscribed by the Nazis. With a Jewish wife, Hindemith’s situation became perilous, and in 1937 he fled, via Switzerland, to the United States. Dating from 1942, The Moon appeared in a set of Nine English Songs. For Shelley, the moon, ever-changing but always the same, is a symbol of solitude, weariness, and unfulfilled longings. Hindemith’s song, in two contrasted sections, moves from feverish agitation (prompted by the words “led by the insane and feeble wanderings of her fading brain”) to eerie stillness, with the voice declaiming in tortuous quasi-recitative against sustained piano chords.
Best known for his music for the Anglican liturgy, Herbert Howells was also a fertile song composer with a catholic taste in poetry, from medieval texts, via Afrikaans verses, to poems by his Irish and British contemporaries. Howells wrote his dreamlike, modal-flavored setting of Shelley’s desolate The Widow Bird during World War I, after he had been diagnosed with Graves’ disease and been given only months to live. In the event he survived for another 67 years.
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Dripping with lush, sensuous imagery, the poetry of John Keats achieved little success during his short lifetime. Shelley, who commemorated him in the poem Adonais, was a warm admirer. But Keats’s uniquely voluptuous verses only came into vogue during the Victorian era. His famous medievalist ballad La Belle Dame sans merci tells of a knight fatally bewitched by a mysterious “faery’s child.” It would become a favorite subject for Anglophone composers and pre-Raphaelite painters alike. In his song of 1877, Charles Villiers Stanford sets a plain, bardic melody, varied with each successive verse, against the piano-as-orchestra. A dreamy, remote modulation lures the knight to his ruin (“She took me to her elfin grot”). In the penultimate verse he awakens to eerie chromatic harmonies, before text and music return to the chill reality of the opening.
The words of Ives’s Like a Sick Eagle are taken from Keats’s sonnet on the themes of evanescence and mortality On Seeing the Elgin Marbles, written after the poet’s visit to the British Museum in 1817. Like many of Ives’s songs, it started life as a “song without words” for chamber ensemble. With its drooping vocal line and hypnotically repetitive accompaniment, Like a Sick Eagle evokes a powerless immobility in the face of impending death.
Attacking the “imbecility” of Victorian parlor songs, Stanford’s contemporary Hubert Parry expressed the hope that, should “the public be persuaded not to insist so exclusively upon songs being either vulgar or trivial and vapid, the future of English song will undoubtedly be such as the nation may be proud of.” True to his philosophy, Parry was at the forefront of a vigorous new wave of English song. In Bright Star, composed in 1885 and revised a decade later, Keats’s sonnet of reverent adoration—likely addressed to his beloved, Fanny Brawne—inspired a fervent melodic line and poetic shifts of key, most hauntingly at the words “No, still unchanging.”
Richard Wigmore is a writer, broadcaster, and lecturer specializing in Classical and Romantic chamber music and lieder. He writes for Gramophone, BBC Music Magazine, and other journals, and has taught at Birkbeck College, the Royal Academy of Music, and the Guildhall. His publications include Schubert: The Complete Song Texts and The Faber Pocket Guide to Haydn.
Die Künstler

Kieran Carrel
Tenor
Der 1996 geborene Kieran Carrel studierte zunächst bei Christoph Prégardien in Köln und setzte seine Ausbildung dann bei Neil Mackie an der Royal Academy of Music in London fort. Nach einem Engagement am Theater Bonn wechselte er ins Ensemble der Deutschen Oper Berlin, wo er u.a. als Mozarts Tamino und Don Ottavio, Wagners Walther von der Vogelweide, Erik und Froh, Graf Almaviva in Il barbiere di Siviglia, Narraboth in Salome und Lysander in Brittens A Midsummer Night’s Dream zu erleben ist. Zu seinem Repertoire zählen außerdem Partien wie Ferrando in Così fan tutte und Telemaco in Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria. Im Sommer 2020 gab er sein Debüt als Rinaldo in Haydns Armida bei den Bregenzer Festspielen, 2024 war er erstmals bei den Salzburger Festspielen zu hören. In dieser und den kommenden Spielzeiten folgen Engagements an der Oper Köln, beim Glyndebourne Festival und an der Oper Zürich. Im Konzert arbeitete er mit Dirigent:innen wie Marc Minkowski, Joana Mallwitz und Daniel Cohen zusammen. Sein Debüt in der Londoner Wigmore Hall gab Kieran Carrel 2016 zusammen mit Graham Johnson, seitdem war er dort in Liederabenden an der Seite von Christoph Prégardien, James Baillieu und Sir András Schiff zu hören. Außerdem gastierte er bei der Schubertiade Hohenems-Schwarzenberg und beim Heidelberger Frühling. Im Rahmen der Schubert-Woche war er bereits mehrmals im Pierre Boulez Saal zu Gast, zuletzt 2023 mit Liedern von Schubert, Liszt und Britten.
Oktober 2025

Julius Drake
Klavier
Julius Drake ist als Pianist und Klavierbegleiter in allen großen Musikzentren weltweit zu Gast, darunter die Festivals in Aldeburgh, Edinburgh, Salzburg, München, Hohenems-Schwarzenberg und Oxford, die Carnegie Hall und das Lincoln Center in New York, die Berliner Philharmonie, das Concertgebouw Amsterdam, das Teatro alla Scala in Mailand, der Wiener Musikverein und die Wigmore Hall in London. Zu seinen künstlerischen Partnern zählten und zählen Sänger:innen wie Sir Thomas Allen, Ian Bostridge, Iestyn Davies, Joyce DiDonato, Gerald Finley, Simon Keenlyside, Angelika Kirchschlager, Julia Kleiter, Dame Felicity Lott, Christoph Prégardien, Anna Prohaska und viele andere. Für die Wigmore Hall, das Concertgebouw und die BBC kuratierte er eigene Reihen mit Liederabenden, und in der Londoner Middle Temple Hall gibt er jährlich eine Serie von Recitals unter dem Titel „Julius Drake and Friends“. Für seine zahlreichen Aufnahmen erhielt er u.a. den Gramophone Award und den Deutschen Schallplattenpreis. Von 2000 bis 2003 war er Leiter des Perth International Chamber Music Festival, 2009 leitete er das Leeds Lieder Festival. Im gleichen Jahr übernahm er die künstlerische Leitung des Machynlleth Festival in Wales. Julius Drake ist Professor an der Londoner Guildhall School of Music and Drama und unterrichtete 14 Jahre lang an der Kunstuniversität Graz. Für den Pierre Boulez Saal kuratiert er seit 2021 die Reihe „Lied und Lyrik“, die Texte ausgewählter Dichter mit Vertonungen aus unterschiedlichen Epochen kombiniert.
Oktober 2025

Bertie Carvel
Rezitation
Bertie Carvel erhielt für seine Arbeit in Theater, Kino und Fernsehen höchstes Kritikerlob und eine Vielzahl bedeutender Preise. Er gilt als einer der wandlungsfähigsten Schauspieler seiner Generation. Zuletzt war er als Leontes in Shakespeares Das Wintermärchen bei der Royal Shakespeare Company zu sehen, und in Kürze beginnt er mit den Dreharbeiten zur neuen Harry Potter-Serie für HBO.
hamiltonhodell.co.uk/talent/bertie-carvel
Oktober 2025