Laurence Dreyfus Diskantgambe und musikalische Leitung
Emilia Benjamin Diskantgambe
Jonathan Manson Altgambe
Heidi Gröger Altgambe
Markku Luolajan-Mikkola Bassgambe

Christopher Tye
Ausgewählte In nomines
O lux beata trinitas
Sit Fast

Matthew Locke
Suite Nr. 5 g-moll aus Consort of Four Parts

William Lawes
Consort Sett à 5 a-moll
Consort Sett à 5 F-Dur

Henry Purcell
Ausgewählte Fantasien

Christopher Tye (um 1505–1572/73?)
In nomine „Believe me“
In nomine „Round“
In nomine „Weep No More, Rachel“
In nomine „Say so“
O lux beata trinitas


Matthew Locke
(um 1622–1677)

Suite Nr. 5 g-moll aus Consort of Four Parts

I. Fantazie
II. Courante
III. Ayre
IV. Saraband


William Lawes
(1602–1645)

Consort Sett à 5 a-moll

I. Fantazy
II. Fantazy
III. Aire


Henry Purcell
(1659–1695)

Fantasia à 4 a-moll Z 740
Fantasia à 4 d-moll Z 743
Fantasia à 4 g-moll Z 735

 

Pause

 

Christopher Tye
Sit Fast


Henry Purcell

Fantasia à 4 F-Dur Z 737
Fantasia à 3 F-Dur Z 733
Fantasia à 4 B-Dur Z 736


William Lawes

Consort Sett à 5 F-Dur

I. Fantazy
II. Paven
III. Aire

 

Christopher Tye (um 1505–1572/73?)
In nomine „Believe me“
In nomine „Round“
In nomine „Weep No More, Rachel“
In nomine „Say so“
O lux beata trinitas


Matthew Locke
(um 1622–1677)

Suite Nr. 5 g-moll aus Consort of Four Parts

I. Fantazie
II. Courante
III. Ayre
IV. Saraband


William Lawes
(1602–1645)

Consort Sett à 5 a-moll

I. Fantazy
II. Fantazy
III. Aire


Henry Purcell
(1659–1695)

Fantasia à 4 a-moll Z 740
Fantasia à 4 d-moll Z 743
Fantasia à 4 g-moll Z 735

 

Pause

 

Christopher Tye
Sit Fast


Henry Purcell

Fantasia à 4 F-Dur Z 737
Fantasia à 3 F-Dur Z 733
Fantasia à 4 B-Dur Z 736


William Lawes

Consort Sett à 5 F-Dur

I. Fantazy
II. Paven
III. Aire

 


Der Komponist William Lawes, anonymes Portrait aus dem 17. Jahrhundert

Englische Consortmusik des 16. und 17. Jahrhunderts gehört zum Anspruchsvollsten, was die Kammermusik vor der Wiener Klassik hervorgebracht hat. Abseits der streng reglementierten Vokalmusik wagten sich ihre wichtigsten Vertreter an Formen des Ausdrucks und Experimentierens, denen nichts in der Instrumentalmusik des europäischen Kontinents auch nur nahekam. Die mutigsten und exzentrischsten dieser Komponisten stehen im Mittelpunkt des heutigen Programms.

Essay von Laurence Dreyfus

Nur keine Experimente?
Musik für Gambenconsort von Tye, Locke, Lawes und Purcell

Laurence Dreyfus


Die englische Consortmusik des 16. und 17. Jahrhunderts gehört zum Anspruchsvollsten, was die Kammermusik vor der Wiener Klassik mit Haydn, Mozart und Beethoven hervorgebracht hat. Abseits der streng reglementierten Vokalmusik, die fast ausschließlich an religiöse Kontexte und Konventionen gebunden war, wagten sich ihre wichtigsten Vertreter an Formen des Ausdrucks und Experimentierens, denen nichts in der Instrumentalmusik des europäischen Kontinents auch nur nahekam. Die mutigsten und exzentrischsten dieser Komponisten stehen im Mittelpunkt des heutigen Programms: Ihre unverbrauchte Herangehensweise an das musikalische Handwerk und seine Wirkungen begeistert das Publikum bis heute.

Mit seiner eigentümlichen und komplexen Musik entführt Christopher Tye seine Hörer:innen in eine ganz eigene Welt von verblüffender Fantasie. In seinen überlieferten Instrumentalwerken lässt Tye, einer der führenden Komponisten von geistlicher Musik unter vier verschiedenen englischen Monarch:innen, seiner zügellosen Vorstellungskraft freien Lauf. Insbesondere in den 23 In nomines, die wahrscheinlich in den 1550er Jahren entstanden – Tye schrieb mehr Werke in dieser Gattung als jeder andere Komponist – begegnet man zerklüfteten Linien, unerhörten Dissonanzen und unerwarteten Wendungen, die zwischen lyrischer Kontemplation und jubilierender Euphorie ihre ganz eigene Magie entfalten. Eine erstaunliche Anekdote überliefert der englische Antiquar Anthony Wood (wenn auch erst nach Tyes Tod): „Dr. Tye war ein mürrischer und launischer Mann, vor allem in seinen letzten Jahren. Manchmal, wenn er in der Kapelle von Königin Elizabeth Orgel spielte und viel Musik, aber wenig Erquickliches für die Ohren produzierte, ließ Elizabeth ihm vom Küster ausrichten, er spiele nicht ganz richtig, woraufhin er ihr ausrichten ließ, sie höre nicht ganz richtig.“

In seiner Sammlung von In nomines erkundet Tye, ausgehend von einer schlichten, vierstimmigen Passage aus dem Benedictus von John Taverners Missa „Gloria tibi Trinitas“ (auf die Worte „In nomine“), das Wesen der Instrumentalmusik. All diese Stücke stellen implizit die Frage, wie und wodurch diese sich von der Vokalmusik unterscheiden kann. Wie weit kann man rhythmische Experimente treiben, ohne das ein Dirigent den Takt schlagen muss und die einzelnen Spieler:innen aus ihren individuellen Stimmen auch ohne Partitur ein harmonisches Ganzes bilden können? Manche Titel von Tyes In nomines – etwa Follow Me, Beleve Me, Saye So, Howld Fast, Seldom Sene – scheinen sogar auf gewisse Zweifel an der Seriosität seiner Musik zu reagieren: Halt dich fest, folge mir, glaube mir, ruft der Komponist seinen Interpret:innen zu. Das frei komponierte, dreistimmige Sit Fast endet gar mit einer bemerkenswerten „Spielanweisung“: „Sing ye trew & care not, for I am trew, feare not“ – sinngemäß übersetzt: Habt keine Angst und spielt, was ich geschrieben habe – ich meine es tatsächlich so. Der Komponist beruhigt seine verunsicherten Interpret:innen, dass die vertrackten Rhythmen und der ausgefallene Kontrapunkt am Ende schon Sinn ergeben werden, wenn man sich nur nicht zu viele Gedanken darüber macht. In Tyes anspruchsvollster Passage müssen die Spieler:innen 9 gegen 2 gegen 4 zählen; erst ganz am Ende eröffnet der Komponist einen Ausweg aus diesem rhythmischen Labyrinth.

Matthew Locke, ein weiterer faszinierender und streitbarer Charakter, der auch für seine polemischen Schriften bekannt war, zeigt sein Geschick im Brechen von Regeln und Konventionen in seinen Flat Consorts, die in Tonarten mit B-Vorzeichen (englisch „flat“) stehen. Als 1660 in England die Monarchie restituiert wurde, war Locke der führende Komponist des Landes. Er wurde zum Komponisten der „Private Music“ des Königs ernannt, jenen Musikern, die in den königlichen Gemächern spielten und die ältere Tradition der Consortmusik fortsetzten. Allerdings musste er sich mit der entschiedenen Abneigung des Monarchen gegenüber jeglicher Art von „fancys“, also musikalischen Experimenten, und der Tradition der Fantasie sowie seiner Vorliebe für Tanzmusik nach französischem Vorbild abfinden. Für letztere hatte Locke wenig übrig, auch wenn er einige französische Couranten komponierte, die er aber auf seine ganz eigene Art „anglisierte“. Die Impulsivität seiner Musik, kombiniert mit ausführlichen Anhängseln an die stilisierten Tanzsätze, die wie gravitätische Apotheosen wirken, markierte eine neue Entwicklung in der englischen Consortmusik, die auch Henry Purcells Fantasien von 1680 maßgeblich beeinflussen sollten.

Mit diesen jugendlichen Kompositionen, die sämtlich im Sommer 1680 entstanden, schrieb Henry Purcell das letzte und glanzvollste Kapitel in der Geschichte der englischen Gamben-„Fantazia“, wie Purcell sie in seinem Manuskript bezeichnet. Man könnte meinen, das kontemplative Idiom dieser Stücke passe besser zu einem reifen Menschen als zum 20-jährigen Purcell, der sich hier der strengsten Formen des imitatorischen Kontrapunkts als spekulativem Experimentierfeld für musikalische Erfindung bedient. Purcell demonstriert sein Bewusstsein für die Tradition der Fantasie und ihre Meister, geht aber weit über sie hinaus, indem er ein Gefühl der musikalischen Notwendigkeit selbst dort erzeugt, wo er den entlegensten harmonischen Verbindungen nachgeht. Die polyphone Technik Purcells, der als junger Komponist nach einer tragfähigen musikalischen Sprache sucht, beruht auf einem neuartigen, ganz eigenen harmonischen Bewusstsein.

Egal wie viel man sich mit historischen Vorbildern und Quellen auseinandersetzt – nichts bereitet einen auf die Originalität und den Wagemut der Gambenconsorts von William Lawes vor. Man spürt in seinen Kompositionen Rastlosigkeit und unbedingtes Streben nach Innovation – Eigenschaften, die genauso gut auch musikalischem Unsinn zur Folge hätten haben können. Um das Rätsel Lawes zu lösen, mag man Einflüsse und soziales Umfeld analysieren, aber weder das eine noch das ändere erklärt seine eigenwillige musikalische Persönlichkeit. Lässt man sich aber auf Lawes „verkehrte Welt“ ein, entdeckt man in jedem Stück neue, unbekannte Orte, die auf keiner Karte zu finden sind. Die Klarheit seines Ausdrucks ist bemerkenswert. Indem er die altehrwürdigen Regeln der Dissonanzbehandlung über Bord wirft und konventionelle Ideen aus den Werken anderer deformiert, gelingt es Lawes, sein Publikum zu überzeugen, dass rückwärts vorwärts ist, dass das Chaos Ordnung ist, dass das Hässliche schön ist. Zusammen mit einigen seiner Vorgänger und Zeitgenossen kann Lawes als englischer Exzentriker gelten, dessen musikalische Einsichten erstaunlich scharfsinnig und aktuell wirken. Doch nicht alle seine Consorts klingen nach Dunkelheit und Unheil. Das reine pastorale Sonnenlicht seiner F-Dur-Pavane ist unvergleichlich, doch wie so viele andere große Komponist:innen konnte Lawes es nicht lassen, ein paar pikante Dissonanzen beizumischen, die denkwürdig melancholische Schatten werfen. Auch Verspieltheit ist ihm nicht fremd, in der die Freude am gemeinsamen Musizieren mit gleichgesinnten Freunden zum Ausgangspunkt für kompositorische Erfindung wird. Und bei aller Vorliebe für das Geheimnisvolle hat Lawes – unerwarteterweise – auch etwas über Unschuld zu sagen, mit Musik, die sich an ihrer eigenen diatonischen Leichtigkeit erfreut.  


Laurence Dreyfus ist Gründer und künstlerischer Leiter von Phantasm. Neben seiner künstlerischen hat er auch eine musikwissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen und u.a. an den Universitäten von Yale, Stanford, Chicago, Oxford und am Londoner King’s College gelehrt. Bislang veröffentlichte er drei Bücher über J.S. Bach und Richard Wagner. 

 

Nur keine Experimente?
Musik für Gambenconsort von Tye, Locke, Lawes und Purcell

Laurence Dreyfus


Die englische Consortmusik des 16. und 17. Jahrhunderts gehört zum Anspruchsvollsten, was die Kammermusik vor der Wiener Klassik mit Haydn, Mozart und Beethoven hervorgebracht hat. Abseits der streng reglementierten Vokalmusik, die fast ausschließlich an religiöse Kontexte und Konventionen gebunden war, wagten sich ihre wichtigsten Vertreter an Formen des Ausdrucks und Experimentierens, denen nichts in der Instrumentalmusik des europäischen Kontinents auch nur nahekam. Die mutigsten und exzentrischsten dieser Komponisten stehen im Mittelpunkt des heutigen Programms: Ihre unverbrauchte Herangehensweise an das musikalische Handwerk und seine Wirkungen begeistert das Publikum bis heute.

Mit seiner eigentümlichen und komplexen Musik entführt Christopher Tye seine Hörer:innen in eine ganz eigene Welt von verblüffender Fantasie. In seinen überlieferten Instrumentalwerken lässt Tye, einer der führenden Komponisten von geistlicher Musik unter vier verschiedenen englischen Monarch:innen, seiner zügellosen Vorstellungskraft freien Lauf. Insbesondere in den 23 In nomines, die wahrscheinlich in den 1550er Jahren entstanden – Tye schrieb mehr Werke in dieser Gattung als jeder andere Komponist – begegnet man zerklüfteten Linien, unerhörten Dissonanzen und unerwarteten Wendungen, die zwischen lyrischer Kontemplation und jubilierender Euphorie ihre ganz eigene Magie entfalten. Eine erstaunliche Anekdote überliefert der englische Antiquar Anthony Wood (wenn auch erst nach Tyes Tod): „Dr. Tye war ein mürrischer und launischer Mann, vor allem in seinen letzten Jahren. Manchmal, wenn er in der Kapelle von Königin Elizabeth Orgel spielte und viel Musik, aber wenig Erquickliches für die Ohren produzierte, ließ Elizabeth ihm vom Küster ausrichten, er spiele nicht ganz richtig, woraufhin er ihr ausrichten ließ, sie höre nicht ganz richtig.“

In seiner Sammlung von In nomines erkundet Tye, ausgehend von einer schlichten, vierstimmigen Passage aus dem Benedictus von John Taverners Missa „Gloria tibi Trinitas“ (auf die Worte „In nomine“), das Wesen der Instrumentalmusik. All diese Stücke stellen implizit die Frage, wie und wodurch diese sich von der Vokalmusik unterscheiden kann. Wie weit kann man rhythmische Experimente treiben, ohne das ein Dirigent den Takt schlagen muss und die einzelnen Spieler:innen aus ihren individuellen Stimmen auch ohne Partitur ein harmonisches Ganzes bilden können? Manche Titel von Tyes In nomines – etwa Follow Me, Beleve Me, Saye So, Howld Fast, Seldom Sene – scheinen sogar auf gewisse Zweifel an der Seriosität seiner Musik zu reagieren: Halt dich fest, folge mir, glaube mir, ruft der Komponist seinen Interpret:innen zu. Das frei komponierte, dreistimmige Sit Fast endet gar mit einer bemerkenswerten „Spielanweisung“: „Sing ye trew & care not, for I am trew, feare not“ – sinngemäß übersetzt: Habt keine Angst und spielt, was ich geschrieben habe – ich meine es tatsächlich so. Der Komponist beruhigt seine verunsicherten Interpret:innen, dass die vertrackten Rhythmen und der ausgefallene Kontrapunkt am Ende schon Sinn ergeben werden, wenn man sich nur nicht zu viele Gedanken darüber macht. In Tyes anspruchsvollster Passage müssen die Spieler:innen 9 gegen 2 gegen 4 zählen; erst ganz am Ende eröffnet der Komponist einen Ausweg aus diesem rhythmischen Labyrinth.

Matthew Locke, ein weiterer faszinierender und streitbarer Charakter, der auch für seine polemischen Schriften bekannt war, zeigt sein Geschick im Brechen von Regeln und Konventionen in seinen Flat Consorts, die in Tonarten mit B-Vorzeichen (englisch „flat“) stehen. Als 1660 in England die Monarchie restituiert wurde, war Locke der führende Komponist des Landes. Er wurde zum Komponisten der „Private Music“ des Königs ernannt, jenen Musikern, die in den königlichen Gemächern spielten und die ältere Tradition der Consortmusik fortsetzten. Allerdings musste er sich mit der entschiedenen Abneigung des Monarchen gegenüber jeglicher Art von „fancys“, also musikalischen Experimenten, und der Tradition der Fantasie sowie seiner Vorliebe für Tanzmusik nach französischem Vorbild abfinden. Für letztere hatte Locke wenig übrig, auch wenn er einige französische Couranten komponierte, die er aber auf seine ganz eigene Art „anglisierte“. Die Impulsivität seiner Musik, kombiniert mit ausführlichen Anhängseln an die stilisierten Tanzsätze, die wie gravitätische Apotheosen wirken, markierte eine neue Entwicklung in der englischen Consortmusik, die auch Henry Purcells Fantasien von 1680 maßgeblich beeinflussen sollten.

Mit diesen jugendlichen Kompositionen, die sämtlich im Sommer 1680 entstanden, schrieb Henry Purcell das letzte und glanzvollste Kapitel in der Geschichte der englischen Gamben-„Fantazia“, wie Purcell sie in seinem Manuskript bezeichnet. Man könnte meinen, das kontemplative Idiom dieser Stücke passe besser zu einem reifen Menschen als zum 20-jährigen Purcell, der sich hier der strengsten Formen des imitatorischen Kontrapunkts als spekulativem Experimentierfeld für musikalische Erfindung bedient. Purcell demonstriert sein Bewusstsein für die Tradition der Fantasie und ihre Meister, geht aber weit über sie hinaus, indem er ein Gefühl der musikalischen Notwendigkeit selbst dort erzeugt, wo er den entlegensten harmonischen Verbindungen nachgeht. Die polyphone Technik Purcells, der als junger Komponist nach einer tragfähigen musikalischen Sprache sucht, beruht auf einem neuartigen, ganz eigenen harmonischen Bewusstsein.

Egal wie viel man sich mit historischen Vorbildern und Quellen auseinandersetzt – nichts bereitet einen auf die Originalität und den Wagemut der Gambenconsorts von William Lawes vor. Man spürt in seinen Kompositionen Rastlosigkeit und unbedingtes Streben nach Innovation – Eigenschaften, die genauso gut auch musikalischem Unsinn zur Folge hätten haben können. Um das Rätsel Lawes zu lösen, mag man Einflüsse und soziales Umfeld analysieren, aber weder das eine noch das ändere erklärt seine eigenwillige musikalische Persönlichkeit. Lässt man sich aber auf Lawes „verkehrte Welt“ ein, entdeckt man in jedem Stück neue, unbekannte Orte, die auf keiner Karte zu finden sind. Die Klarheit seines Ausdrucks ist bemerkenswert. Indem er die altehrwürdigen Regeln der Dissonanzbehandlung über Bord wirft und konventionelle Ideen aus den Werken anderer deformiert, gelingt es Lawes, sein Publikum zu überzeugen, dass rückwärts vorwärts ist, dass das Chaos Ordnung ist, dass das Hässliche schön ist. Zusammen mit einigen seiner Vorgänger und Zeitgenossen kann Lawes als englischer Exzentriker gelten, dessen musikalische Einsichten erstaunlich scharfsinnig und aktuell wirken. Doch nicht alle seine Consorts klingen nach Dunkelheit und Unheil. Das reine pastorale Sonnenlicht seiner F-Dur-Pavane ist unvergleichlich, doch wie so viele andere große Komponist:innen konnte Lawes es nicht lassen, ein paar pikante Dissonanzen beizumischen, die denkwürdig melancholische Schatten werfen. Auch Verspieltheit ist ihm nicht fremd, in der die Freude am gemeinsamen Musizieren mit gleichgesinnten Freunden zum Ausgangspunkt für kompositorische Erfindung wird. Und bei aller Vorliebe für das Geheimnisvolle hat Lawes – unerwarteterweise – auch etwas über Unschuld zu sagen, mit Musik, die sich an ihrer eigenen diatonischen Leichtigkeit erfreut.  


Laurence Dreyfus ist Gründer und künstlerischer Leiter von Phantasm. Neben seiner künstlerischen hat er auch eine musikwissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen und u.a. an den Universitäten von Yale, Stanford, Chicago, Oxford und am Londoner King’s College gelehrt. Bislang veröffentlichte er drei Bücher über J.S. Bach und Richard Wagner. 

 

Das Ensemble


Phantasm

Phantasm wurde 1994 von Laurence Dreyfus gegründet und gilt als das führende Gambenconsort der Gegenwart. Der internationale Durchbruch gelang den fünf Musiker:innen, als ihr Debütalbum mit Werken von Henry Purcell 1997 mit einem Gramophone Award für die beste Einspielung barocker Instrumentalmusik ausgezeichnet wurd. Weitere Gramophone Awards folgten für Aufnahmen der Gambenkonzerte von Orlando Gibbons und von John Dowlands Lachrimae. Phantasm gastiert an bedeutenden Konzertsälen und bei wichtigen Festivals für Alte Musik weltweit, darunter die trigonale in Österreich, das Heinrich Schütz Musikfest in Dresden, das Barcelona Early Music Festival, das Bergen International Festival, das Stockholm Early Music Festival und die Londoner Wigmore Hall. Dabei bildet die Musik der englischen Renaissance und des Barock einen Repertoireschwerpunkt, außerdem widmen sich das Quintett aber auch französischer und italienischer Musik und den Werken Johann Sebastian Bachs. Seit 2015 ist Phantasm in Berlin beheimatet, zuvor war es zehn Jahre lang Consort in Residence an der Universität Oxford und am dortigen Magdalen College. Im Pierre Boulez Saal war das Ensemble zuletzt 2023 mit der interdisziplinären Performance The Art of Being Human zu erleben.

Oktober 2024

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