THE JOURNEY OF INSTRUMENTS

Einführung von Naseer Shamma

 

Als eines der ältesten Instrumente der Menschheit ist die Oud ein herausragendes Symbol für die musikalische Zivilisation des gesamten Nahen Ostens. Die frühesten archäologischen Belege gehen auf das Reich von Akkad im alten Mesopotamien zurück, wo um 2350 vor unserer Zeitrechnung Lauteninstrumente in Wandmalereien und Steinreliefs auftauchen. Seit dieser fernen Zeit ist die Oud ein elementarer Bestandteil verschiedenster musikalischer Kulturen – nicht nur im Nahen Osten und Nordafrika, sondern auch in anderen Teilen der Welt, in die sie durch Migrationsbewegungen, kulturellen Austausch und Handel gelangte.

Weit mehr als nur die Ausbreitung eines Musikinstruments von einem Land ins nächste, macht die Reise der Oud einen kulturellen Zusammenhang sichtbar, der die Interaktion und Kommunikation zwischen unterschiedlichen Völkern widerspiegelt. Indem sie sich auf ihrem Weg verschiedenen musikalischen Kontexten von östlichen Maqamat über westliche Tonleitern bis hin zu Sufi-Gesängen und Volksmusik anpasste, liefert die Oud den Beweis für die Kraft der Kunst, Grenzen zu überwinden.

Die Oud entstand innerhalb eines reichen kulturellen Umfelds von musikalischen Innovationen, wo sie Teil künstlerischer Aktivitäten in Tempeln, Palästen und auf Marktplätzen war. Dank ihrer einfachen Bauart – ein birnenförmiger Korpus mit kurzem Hals und mit Darmsaiten bespannt – war sie praktisch und einfach zu transportieren, was ihre Ausbreitung entlang von Handelsrouten und im Rahmen militärischer Kampagnen noch beschleunigte. Im Laufe der Zeit nahm sie neue Gestalten und Namen an wie die der türkischen Bağlama, der persischen Tar, der griechischen Bouzouki, der italienischen Mandoline oder der spanischen Gitarre. Einen Teil dieser Geschichte zeichnen unsere fünf Konzerte im Pierre Boulez Saal in dieser Spielzeit nach.

Im Irak hören wir die Oud in ihrer natürlichen Umgebung, wo sie Geschichten aus dem alten Mesopotamien erzählt. In Iran werden wir Zeug:innen des Austauschs und der gegenseitigen Beeinflussung mit der Tar und anderen persischen Instrumenten. In Indien können wir entdecken, wie der Geist der Oud in einer faszinierenden historischen Entwicklung in die Sitar weiterlebt. Und in Spanien erfahren wir, wie der Flamenco den Klang des Nahen Ostens im mediterranen Kontext neu definierte. Den Abschluss unserer Reise bilden Mitteleuropa und die Laute der Barockzeit.

Diese fünf Abende sind mehr als nur Konzerte – es sind Begegnungen mit der Zeit, in denen Melodien zu Geschichte werden. Die Reihe ist eine Einladung, den Weg der Oud als Instrument und als Brücke zwischen den Zivilisationen zu verfolgen. Er offenbart Gemeinsamkeiten der menschlichen Erfahrung und hilft uns zu verstehen, dass die Saiten, die akkadische Musiker vor 4000 Jahren anschlugen, noch immer nachklingen.

Herzlich willkommen auf der Reise der Instrumente!

Naseer Shamma zählt zu den profiliertesten Oud-Virtuosen und -Lehrern weltweit. Er ist Gründer des Arab Oud House in Kairo, einer Schule, die ganz seinem Instrument gewidmet ist und weitere Standorte in Abu Dhabi, Riad, Bagdad und Mossul besitzt. Er gibt weltweit Konzerte mit Musiker:innen unterschiedlichster Herkunft und wurde 2017 zum UNESCO Artist for Peace ernannt.

Titelabbildung: llustration zur Geschichte von Ibrahim dem Sänger aus Zakariya al-Qazwinis Buch der Wunder der Schöpfung und der Merkwürdigkeiten der existierenden Dinge, Persien, 13./14. Jahrhundert © Staatsbibliothek Berlin