EIN UNIVERSELLES INSTRUMENT

Essay von Jean During

Mythische Ursprünge

Ein Instrument, dem so viel Verehrung und Bewunderung entgegengebracht wird wie der Oud, muss, so möchte man meinen, sagenhaften Ursprungs sein. Einer Legende zufolge baute der Prophet Mohammed die erste Laute, die allerdings keinen Ton von sich gab, weil ihr Steg und Sattel fehlten, die die Saiten mit dem Korpus des Instruments verbinden. Daraufhin kam ihm Satan zur Hilfe und fügte diese beiden entscheidenden Elemente hinzu. Die Laute hatte nun zwar einen schönen Klang, doch der Prophet wollte sie nicht spielen, weil sie vom Teufel berührt worden war. 

Die indisch-persische medizinische Enzyklopädie des Nureddin Muhammad Shirazi aus dem 17. Jahrhundert beschreibt, wie der griechische Philosoph Pythagoras den Vorgänger aller Lauteninstrumente schuf. Er entdeckte im Urwald die Leiche eines Affen, dessen Gedärme zwischen den Ästen aufgespannt waren und Töne erzeugten, wenn der Wind hindurchwehte. Daraufhin zog Pythagoras die Haut des Affen über eine Kokosnuss und baute so die erste Laute. Eine ähnliche Geschichte existiert in Chinesisch-Turkestan und in Indien. Sie erinnert an eine weitere Version, in der die Erfindung der Laute Lamech, dem Sohn Methusalems und Vater Noahs, zugeschrieben wird. Nach der Beschreibung des Autors Ibn Chordadhbeh aus dem 9. Jahrhundert wurde das Instrument aus dem zerstückelten Leichnam von Lamechs Sohn hergestellt, den dieser an einem Baum hängend gefunden hatte. In dieser Überlieferung symbolisiert der Korpus der Laute den Oberschenkel, der Saitenhalter den Fuß, das Griffbrett die Knöchel und die Saiten die Blutgefäße. Lamech brachte das Instrument zum Klingen und stimmte ein Klagelied an.

 

Vorläufer

Bis zum Erscheinen des Barbat, dem wichtigsten Vorläufer der Oud, um das 2. Jahrhundert v. u. Z. war die Spießlaute mehr als 2000 Jahre lang die am weitesten verbreitete Laute. Sie hat einen runden Hals, der die Haut der Schalldecke kreuzt und an dem die Saiten befestigt sind, und ist südlich der Sahara noch immer in Gebrauch. Eine Subsahara-Variante, die den alten ägyptischen und hethitischen Lauten ähnelt, wird durch Zupfen der Saiten mit den Fingern gespielt. Eine andere Version der mit Haut bespannten Spießlaute, die von den Imazighen in Marokko verwendet wird, hat einen birnenförmigen Korpus und drei oder vier Saiten, die wie bei der Oud mit einem Plektrum angeschlagen werden. Wahrscheinlich gehörte auch die vorislamische arabische Laute, die dann vom Barbat verdrängt wurde, zu dieser Kategorie.

Die ältesten bildlichen Darstellungen des Barbat, der seinen Ursprung höchstwahrscheinlich in Zentralasien hat, datieren aus dem 1. Jahrhundert v. u. Z. und wurden im heutigen Südusbekistan und Nordtadschikistan gefunden. In Nordwestindien taucht das Instrument im 1. Jahrhundert n. u. Z. auf; in Persien wurde es vermutlich einige Jahrzehnte später eingeführt. Um 600 n. u. Z. übernahmen die Araber im Hedschas, dem westlichen Teil der Arabischen Halbinsel, den Barbat, der inzwischen im gesamten Nahen Osten und Zentralasien verbreitet war. Eine als Kwitra (daher stammt das Wort „Gitarre“) bekannte Ausführung mit vier Doppelsaiten wird bis heute in Marokko und Algerien gespielt.

Auf seinem Weg nach Osten inspirierte der Barbat die Entstehung der chinesischen Pipa und der japanischen Biwa, beides Instrumente, die ihren Ursprüngen noch sehr nah stehen, wie die Etymologie ihrer Namen zeigt (wobei Barbat zunächst zu Pipa und dann zu Biwa sinisiert wurde). In kultureller Hinsicht überlebte der Barbat in der klassischen Dichtung jahrhundertelang als bildlicher Ausdruck für das goldene Zeitalter der persischen Musik.

Die wichtigste Neuerung des Instruments bestand darin, dass Korpus und Hals aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt waren und man statt Pergament eine hölzerne Schalldecke verwendete – ein zeitaufwändiges Verfahren, für das sehr viel Holz benötigt wurde. Im Gegensatz dazu besteht der Korpus der Oud aus verleimten Holzstreifen, und der Hals ist vom Korpus getrennt; diese Bauweise ist bei den meisten Langhalslauten auch heute noch zu finden. Die iranische Ikonografie belegt die Verwendung des Barbat bis ins 10. Jahrhundert hinein, und noch im 11. Jahrhundert wurde ein Hofmusiker als Barbati, nicht als Oudi bezeichnet. Doch aufgrund ihres größeren, tieferen, stärker gerundeten und aus Leisten zusammengeleimten Korpus sowie durch das Hinzufügen einer weiteren Saite (oder der Verdopplung der vorhandenen) war die Oud sowohl leichter wie auch klangstärker als ihre Vorläufer – ein neues Instrument war geboren. Mit Beginn des 14. Jahrhundert war der Barbat fast vollständig aus dem Nahen Osten verschwunden und durch die sogenannte „vollkommene“ Oud (kamil) mit fünf Doppelsaiten ersetzt worden; eine spätere Verbesserung war die „vollkommenste“ Oud (akmal) mit einer zusätzlichen tiefen Saite. Die Bezeichnung Oud geht möglicherweise auf die mittelpersische Worte barbud („Saite“) oder rud („Laute“) zurück. Im Arabischen bedeutet oud soviel wie „Stock“ oder „Zweig“, was mit einer Laute nichts zu tun hat, auch wenn es oft behauptet wird. [Einer anderen Etymologie zufolge kann Stock oder Zweig im weiteren Sinne auch „Holz“ bedeuten, was somit den Korpus des Instruments beschreibt, Amn. d. Red.]

Musiker und Tänzer aus einer Ausgabe von Firdausis Schahnameh (Buch der Könige), um 1600. © Smithsonian National Museum of Asian Art, Washington D.C.

Musikerinnen mit Sitarspielerin, Gemälde aus dem Umfeld des Mewar-Hofes, 19. Jahrhundert. © Smithsonian National Museum of Asian Art, Washington D.C.

Musiker mit einer Shahrud („königliche Laute“), Illustration aus dem Surname-i Hümayoun, 1582. © Topkapi Palace Library, Istanbul

Spieltechniken

Die alten Beschreibungen der arabischen Oud sind so präzise, dass es möglich ist, ein Instrument zu konstruieren, das dem Vorbild aus dem 14. Jahrhundert entspricht. Von dem Philosophen und Musiktheoretiker al-Kindi aus dem 9. Jahrhundert wissen wir, dass der Barbat vier seidene Saiten hatte, wie sie sich auch bei der Pipa und der Biwa finden, während für die Oud Darmsaiten üblich wurden (heute meist ersetzt durch synthetische Materialien, die weniger empfindlich auf Feuchtigkeitsschwankungen reagieren). Bei der Beschreibung eines Saiteninstruments darf man allerdings nicht vergessen, dass die Spieltechnik häufig wichtiger ist als Form und Material. Die Pipa etwa sieht der Biwa sehr ähnlich, doch wird Letztere mit einem großen dreieckigen Plektrum gespielt, wodurch vollkommen andere Klänge und Wirkungen erzielt werden. Ebenso wird die europäische Laute mit den Fingerspitzen gezupft, die Oud dagegen mit einem Plektrum gespielt.

Die Frage, ob die historische Oud Bünde hatte, konnte kürzlich nach umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen beantwortet werden. Die halbkonische Form des Halses, der geringe Abstand zwischen den Saiten und dem Griffbrett sowie die nicht temperierten Skalen, die auf leichten Abweichungen in der Intonation beruhen, lassen Bünde unrealistisch erscheinen. Eine alte Anekdote berichtet von einem berühmten frühen Musiker, der aufgefordert wurde, auf einer absichtlich verstimmten Laute zu spielen. Er meisterte diese Herausforderung mühelos und reproduzierte die Melodie vollkommen korrekt, was nur auf einem glatten Hals ohne Bünde möglich ist. (Dagegen sind Bünde für harmonisch strukturierte und polyphone Musik unerlässlich, und ihre genaue Positionierung war während des europäischen Barocks Gegenstand detaillierter Studien.)

 

Nach Europa

Infolge der arabischen Eroberung der Iberischen Halbinsel, die im Jahr 711 begann, wurden in der christlichen Welt viele Musikinstrumente aus dem Nahen Osten übernommen. Die früheste bekannte europäische Darstellung einer Laute findet sich an einer Skulptur aus dem späten 11. Jahrhundert in der Kathedrale von Jaca in Aragon. Um 1280 wurde eine Oud in der spanischen Musikhandschrift der Cantigas de Santa Maria abgebildet. Dieses Instrument hat neun Saiten, wahrscheinlich vier Paare plus eine Einzelsaite, und wird nach wie vor mit einem Plektrum gespielt. Die Laute begann sich im 14. Jahrhundert in ganz Europa zu verbreiten und blieb mehr als 300 Jahre lang eines der wichtigsten Instrumente, wobei sie zahlreiche Modifikationen und Abwandlungen erfuhr. Merkwürdigerweise verschwand sie um das Jahr 1780 herum und wurde durch die Gitarre ersetzt, tauchte jedoch im 20. Jahrhundert wieder auf. Charakteristisch für die frühesten europäischen Lauten sind ihre Leichtigkeit und das verwendete Holz, wobei die Holzstreifen, aus denen der Korpus der Instrumente gebaut ist, oft nur einen Millimeter dick sind. Dadurch sind sie äußerst fragil, sodass von der großen Anzahl der hergestellten Lauten nur sehr wenige erhalten blieben. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist, dass diese Instrumente mit mehreren Fingern gezupft wurden, um den Anforderungen von Polyphonie und Kontrapunkt gerecht zu werden.

Bei der Entwicklung der verschiedenen Mitglieder der Oud-Familie zu ihren zahlreichen nationalen und lokalen Varianten bestand eine allgemeine Tendenz darin, Saiten hinzuzufügen und die Größe und Lautstärke des Instruments zu steigern. Persische Miniaturen aus dem 16. und 17. Jahrhundert zeigen eine riesige Schahrud oder „königliche Laute“, hinter der der Musiker fast verschwindet. Ungefähr zur gleichen Zeit entstand in Italien die Theorbe (auch Chitarrone genannt), die nicht weniger als 14 Saiten hat und fast zwei Meter messen kann.

In der Türkei wurde die Oud von der Tanbur abgelöst, während in Persien eine andere, später als Tar bekannte Form der Laute in den Vordergrund trat. Ihr Aufbau unterscheidet sich deutlich von dem der Oud: Sie besitzt einen langen Hals, und ihre Schalldecke besteht aus dünnem Pergament statt aus Holz. Die Darm- oder Seidensaiten sind durch Metallsaiten ersetzt worden, sodass ein brillanter Klangentsteht, der durch ausgefeilte Plektrumtechniken noch verstärkt wird.

Früheste bildliche Darstellung einer Laute in Europa (Figur links oben) auf einem Kapitell in der Kathedrale von Jaca (Aragon), spätes 11. Jahrhundert. © Creative Commons

Rebab- und Oudspieler, Buchillumination aus den Cantigas de Santa Maria, die um 1280
für Alfonso X. „den Weisen“ von Kastilien und León entstanden. © Real Biblioteca del Monasterio de San Lorenzo de El Escorial

Laurent de la Hyre, Allegorie der Musik mit Theorbe und Laute (1649). © Metropolitan Museum of Art New York

Die Oud heute

Was die modale Komplexität des klassischen Maqam und seine klangliche Darstellung betrifft, ist die Oud jedoch konkurrenzlos geblieben. Das gilt insbesondere in der arabischen Welt, wo sie ihre Vormachtstellung nie verloren hat. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewann sie bei türkischen Musiker:innen erneut an Beliebtheit, und zur selben Zeit erlebte auch die Laute dank der Wiederentdeckung der Barock- und Renaissancemusik in Nordeuropa eine neue Blüte. Im Iran galt die Oud mehrere Jahrhunderte lang als ausgestorben, doch ein in einem Korridor des Golestanpalastes in Teheran verstecktes Fresko aus der Zeit um 1830 zeigt eine Oud spielende Kurtisane. Nach einer zaghaften Wiedereinführung in den 1960er Jahren erlebte das Instrument in den 2000er Jahren einen erneuten Popularitätsschub.

Heute werden überall im Nahen Osten und Nordafrika Ouds in unterschiedlichen Stilen gebaut, u.a. in Ägypten, Syrien, der Türkei, Irak, Iran und Marokko. Im Laufe der Zeit ist die Oud so universell geworden wie die Violine.

Übersetzung aus dem Englischen: Sylvia Zirden

 


Prof. Jean During ist emeritierter Research Fellow am Centre national de la recherche scientifique in Paris. In seiner Feldforschung beschäftigt er sich mit verschiedenen Musiktraditionen Zentralasiens und mit Sufi-Ritualen. Er ist Autor von zwölf Büchern über diese musikalischen Kulturen und von zahlreichen Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften und Enzyklopädien. 2016 wurde er für seinen Beitrag zur Erforschung arabischer Musik mit dem Ziryab Prize des tunesischen Ministeriums für Kultur ausgezeichnet. 

Titelabbildung: Oudspielerin und Schachspielerinnen, Buchillumination aus den Cantigas de Santa Maria, die um 1280 für Alfonso X. „den Weisen“ von Kastilien und León entstanden. © Real Biblioteca del Monasterio de San Lorenzo de El Escorial